Lebendige Flüsse, leckere Pilze und Hausbau für Höhlenbrüter - Unser Einsatz in Windach

Published on October 1, 2022

Wir sitzen auf einem umgekippten Baumstamm am Ammersee und haben die Augen geschlossen. Meine Füße sind noch etwas nass von einem Fußbad im See. Von vorne hören wir die Wellen des Sees, von hinten kommt Carolins Stimme und leitet uns durch unsere kurze Meditation. Zum Abschluss von unserem Wochenende noch einmal innehalten und alles sacken lassen. Und das ist einiges, was wir erlebt und gelernt haben: Warum Flüsse früher als eigenständige Lebewesen begriffen wurden, was Querbauwerke bewirken und dass Ammer und Amper eigentlich zwei Namen für denselben Fluss sind. Angepackt haben wir auch und natürlich kam das Essen nicht zu kurz.

Aber fangen wir von vorne an: Als Martin und ich freitags im kleinen Ort Windach in Oberbayern ankamen, waren wir nicht nur neugierig und gespannt auf das Wochenende, sondern hatten auch schon ordentlich Hunger. Zu unserem Glück waren Lena und Johanna schon vor uns eingetroffen und hatten zusammen mit Carolin vom WWF-Büro „Wildflüsse Alpen“ ein leckeres Abendessen gekocht. Carolin war es auch, die den Naturschutzeinsatz für uns geplant und uns an diesem Wochenende bei sich wohnen lassen hat. Dafür noch einmal vielen, vielen Dank!

©Lena Chiari

Beim Frühstück erzählte uns Carolin dann von ihrer Arbeit, dem Ammer-Projekt und (Wild-)flüssen im Allgemeinen. Die Ammer entspringt in den Alpen und mündet in den Ammersee. Diesen verlässt sie im Norden und erhält dabei einen neuen Namen: Die Amper. Der WWF hat seit 2010 ein Büro in Weilheim, das sich für Gewässerschutz einsetzt. Die Ammer ist dabei deshalb so interessant, weil sie noch einigermaßen intakt ist. Zusammen mit verschiedenen Akteuren und Projektpartnern, zum Beispiel dem zuständigen Wasserwirtschaftsamt und dem Tourismusverband, setzt sich der WWF dafür ein, dass die Ammer wieder natürlicher wird. Auch die WWF Jugend hat sich das vor 4 Jahren mal genauer angeschaut. Beim River Walk:

Von Natur aus ist so ein Fluss nämlich etwas vollkommen anderes als ein Kanal für Wasser. Flüsse sind dynamische Ökosysteme, die ihren Lauf ständig verändern. An den steilen Prallhängen findet Erosion statt, an den flachen Gleithängen wird Material abgelagert. So kann der Fluss sich verzweigen und mäandrieren, d.h. er fließt nicht einfach Luftlinie geradeaus, sondern macht Kurven, bildet diese immer stärker aus, bis das Wasser schließlich abkürzt und die Kurve schneidet oder neue Kurven bildet. Ein Fluss kann somit jedes Jahr seinen Lauf verändern, Altarme und immer wieder neue Kiesbänke und -inseln erschaffen. Da diese immer wieder neu entstehen, sind sie vegetationsarm. Genau das brauchen Vögel wie die Flussseeschwalbe, der Flussuferläufer oder der Flussregenpfeifer. Aber auch Wasserorganismen sind auf die natürliche Dynamik von Flüssen angewiesen. Durch die entstehen nämlich direkt nebeneinander verschiedenste Bedingungen: Tiefe und flache Stellen, Bereiche mit starker oder wenig Strömung… Junge Fische verstecken sich gerne in den Uferbereichen zwischen Baumwurzeln und dort, wo wenig Strömung herrscht. In der Windach haben wir Fische vor allem an den tieferen Stellen beobachtet. Die Bachmuschel reagiert nicht nur auf Veränderungen der Gewässerstruktur empfindlich, sondern auch Wasserverschmutzung beispielsweise durch zu hohe Gülleeinträge sind ein Problem.

Und dann gibt es natürlich noch die Lebensräume am Flussufer: Die Auwälder, die zeitweise überflutet werden und auch für uns Menschen wichtig wären, da sie uns bei Hochwasser schützen könnten. Doch Menschen haben schon immer gerne an Flüssen gebaut – und irgendwann angefangen, sie zu begradigen. Für Auwälder blieb da nicht mehr viel Platz.

©Georg_Wietschorke auf pixabay.com ©vinsky_2002 auf pixabay.com ©Jonnys_pic auf pixabay.com

Um einen Eindruck zu bekommen, wie all das in echt aussieht, machten wir uns danach auf an die Windach. Allerdings kamen wir erst mal gar nicht bis zum Fluss. Etwas anderes hatte im Wald unsere Aufmerksamkeit erregt: Pilze! Und so kam es, dass wir einen spontanen Pilzkurs von Carolin bekamen und neben Steinpilzen, den flockenstieligen Hexenröhrling (was ein Zungenbrecher) und den Fichten-Reizker kennenlernten. Besonders erstaunt haben uns dabei die Farbreaktionen beim Anschneiden der Pilze: Der gelbe Fruchtkörper des flockenstieligen Hexenröhrlings färbt sich blau, aus dem Reizker tritt eine karotten-orange Milch aus.

Wir haben Steinpilze, Reizker und flockenstielige Hexenröhrlinge gefunden. Letzterer läuft beim Anschneiden blau an. ©Lena Chiari

Aber die Pilze waren nicht das einzig essbare auf unserem Weg. An der Windach wuchs jede Menge Drüsiges Springkraut (auch Indisches Springkraut bzw. Impatiens glandulifera). Die Pflanze ist ein Neophyt und invasiv. Das heißt, sie stammt ursprünglich aus der Himalaya-Region und verdrängt hier nun andere Arten an Flussufern. Teilweise wird versucht, die Pflanzen zu entfernen, aber verschwinden wird es wohl nicht wieder. Auch an der Windach wächst es überall. Was ich aber bisher nicht wusste: Die Samen, die aus den Kapseln springen, wenn man sie berührt, sind (in Maßen) essbar. Das mussten wir natürlich ausprobieren, als Carolin davon erzählte. Lecker nussig!

An der Windach gab es nicht nur Pilze zu sehen, sondern auch ein Wespennest in einer alten Spechthöhle und Indisches Springkraut. ©Lena Chiari

Am Fluss angekommen, gingen wir bewaffnet mit Becherlupen auf die Suche nach Saprobien. Für alle, die sich jetzt fragen: Saprobien, hä? Saprobien sind eine Möglichkeit, etwas über die Gewässergüte zu erfahren. Je nach Gewässergüte leben andere Wasserorganismen in einem Fluss. Für den Saprobienindex macht man sich das zu Nutze und dreht den Spieß einfach um: Bestimmte Organismen kommen im Wasser vor? Also muss die Gewässergüte gut oder eben nicht so gut sein. Aus allen gefundenen Organismen und ihrer Anzahl kann somit ein Index berechnet und eine Güteklasse bestimmt werden. Ganz so viel Aufwand machten wir uns allerdings nicht, wir schauten einfach mal, wen wir so beim Steine umdrehen entdecken konnten: Winzige Schnecken, Würmer, vermutlich ein Egel und einige Köcherfliegenlarven. Um letzte zu entdecken, mussten wir schon genau hinschauen. Die Larven bauen sich nämlich eine Schutzhülle aus kleinen Steinchen, um geschützter zu sein.

Saprobien sind Wasserorganismen, die Aufschluss über die Gewässergüte geben. ©Lena Chiari

Ein großes Problem für natürliche Flüsse sind Querbauwerke. Sie verhindern, dass Wasserorganismen wandern können und stören die Sedimentverteilung. Das WWF-Büro in Weilheim setzt sich für den Rückbau solcher Querbauwerke ein, nicht nur an der Ammer, sondern in ganz Bayern. Zum Beispiel wurde 2021 ein unnötiges Wehr an der Baunach bei dem gleichnamigen Ort Baunach (nördlich von Bamberg) zurückgebaut. Allerdings gibt es noch viel zu viele Querbauwerke. Dazu zählen auch Kleinwasserkraftwerke, die in Bayern weiter subventioniert werden, obwohl ihr Energiebeitrag nur den Bruchteil von dem eines Windrades beträgt, während sie für Fische und andere Flusslebewesen großen Schaden anrichten. Mehr dazu hier.

Für Fische sind Querbauwerke ein Problem. ©Lena Chiari

Auch die Windach konnte hier bis vor kurzem nicht frei fließen. Wir folgten Carolin einen kleinen Pfad am Fluss entlang, bis zu der Stelle, an der bis vor ein paar Jahren ein Wehr stand. Heute gibt es nur noch die Mauer, die den ehemaligen Mühlgraben begrenzt hat. Die Windach kann dort aber wieder ungehindert fließen und ihren Lauf verändern. Eigentlich wollten wir hier Müll sammeln, aber die Stelle, an der sonst oft grillende Jugendliche ihren Müll hinterlassen haben, war komplett zugewachsen. Tja, so ist das an einem lebendigen Fluss!

Das Wasser ist schon echt frisch. ©Lena Chiari

Stattdessen schauten wir uns diese Flussdynamik mit eigenen Augen an, drehten ein paar Videos für den WWF Jugend Instagram-Kanal und überquerten schließlich die Windach. Barfuß, brrr schon ganz schön frisch das Wasser! Auf der anderen Seite fanden wir dann doch noch einiges an Müll. Dieser wurde mehr, je näher wir dem Ort kamen.

Nachmittags ging es ans Nistkastenbauen. ©

Nachdem wir uns mit einer Soße aus den gesammelten Pilzen und kleinen Ofenkürbissen gestärkt hatten, ging es dann ans Werkeln: Einen Brutkasten für Halbhöhlenbrüter wollten wir bauen. Auf der überdachten Terrasse (zum Glück, denn nachmittags wurde es nass) hieß es einzeichnen, sägen, feilen, bohren, schrauben, lackieren. Nach kleinen Anfangsschwierigkeiten mit dem Sägen gelang uns das immer besser, so dass wir noch vor Einbruch der Dunkelheit unser fertiges Häuschen in der Hand hielten. Am nächsten Tag haben wir es gleich aufgehängt, so dass es jetzt heißt: Abwarten, wer hier nächstes Jahr einziehen wird! Ein Rotkehlchen oder vielleicht ein Haus- oder Gartenrotschwanz?

Fertig! ©Lena Chiari

Nachdem wir abends wieder gemütlich gekocht hatten, sonntags dann das Vogelhäuschen aufgehängt und das Frühstück verdrückt war, machten wir noch einen kleinen Abstecher zum Ammersee. Mit einem letzten Fußbad, einer Meditation und einem schnellen Eis, endete unser Naturschutzeinsatz.

©Lena Chiari

Falls ihr euch jetzt beim Lesen ärgert, dass ihr nicht dabei sein konntet: Wie wäre es denn mit eurem eigenen kleinen Naturschutzeinsatz? Eine Anleitung für einen Halbhöhlenbrüterkasten, gibt es zum Beispiel hier.

 

Und: Vielleicht werden wir im nächsten Jahr wieder in Windach und Umgebung aktiv! Womöglich noch stärker zum Thema Flüsse…

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Die Autorin Johanna

Eine Story von Johanna

Johannna schreibt ehrenamtlich für die WWF Jugend Community. Sie ist im Redaktions- und Aktionsteam. Auch du kannst hier mitmachen - komm in unser Team.

Beim Schreiben musste ich an einen Spruch bei uns auf dem Uni-Klo denken: Geograph*innen torkeln nicht, wenn sie betrunken sind: Sie mäandrieren.

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