Nicht ohne uns - Klimaschutz und Behinderung

Published on September 23, 2022

Weltweit leben 12-15% der Menschen mit einer Behinderung. Viele von uns wollen einen Beitrag zum Klimaschutz leisten. Und es braucht uns Menschen mit Behinderung, um die Klimaziele zu erreichen und Treibhausgase reduzieren zu können.

 

Klimawandel und Behinderung

Menschen mit Behinderungen sind eine Gruppe, die besonders von den Auswirkungen des Klimawandels betroffen ist. Dies trifft insbesondere auf Menschen mit Behinderung in den Entwicklungsländern zu, doch genauso auf die in den Industrieländern lebenden Menschen. Sie gehören zu den vulnerablen Personengruppen, die von Naturkatastrophen, Dürren, Überflutungen, Hitzewellen, Erdbeben und anderen klimabedingten Ereignissen besonders betroffen sind. Denn oft sind die Möglichkeiten reduziert, sich in Schutz zu bringen oder überhaupt von der Gefahr zu erfahren. Auch bei humanitären Einsätzen werden die Barrieren für Menschen mit Behinderungen leider noch oft übersehen.

Und obwohl etwa 15% der Weltbevölkerung eine Behinderung haben, werden wir oft nicht wahrgenommen und in Fragen des Klimaschutzes meist nicht einbezogen. Doch Klimaschutz braucht uns alle.
Klimaschutz ist, genauso wie Behinderung, ein Querschnittsthema und betrifft viele Bereiche.

Immer wieder gibt es jedoch das Problem, dass neue Technologien, Dienstleistungen und klimafreundliche Entwicklungen für Menschen mit Behinderungen nicht nutzbar sind. So wird der Umstieg auf klimafreundliches Verhalten für einen deutlichen Teil der Bevölkerung unmöglich gemacht. Schlecht für die Inklusion und Selbstständigkeit, schlecht für den Klimaschutz.
 

Auch Menschen mit Behinderung sind Teil der Klimabewegung / © Callum Shaw, unplash.com

 

Nicht ohne uns

Veränderungen im Rahmen des Klimaschutzes können gut für mehr Barrierefreiheit und Inklusion genutzt werden. Klimaschutz und Inklusion müssen dabei Hand in Hand gehen. Einen sehr guten Ansatzpunkt bietet dabei die Verkehrswende. Wird beim Ausbau des ÖPNV gleichzeitig die Barrierefreiheit verbessert, so ist das ein Gewinn für alle Menschen.

Leider führt im ÖPNV oft der Kostendruck dazu, dass Busse und Verkehrsangebote nicht durchgehend barrierefrei sind. – Menschen mit Behinderungen werden bei Planungsverfahren nicht immer mitbedacht. Das liegt auch an dem segregierenden System, das wir in Deutschland, Österreich und vielen anderen Ländern haben: Die meisten Kinder mit Behinderungen besuchen Förderschulen, Erwachsene mit Behinderung arbeiten auf einem gesonderten Arbeitsmarkt. Das macht Menschen mit Behinderungen für die Gesellschaft wenig präsent. Eventuelle Kosten werden als Zusatzkosten empfunden, solange Menschen mit Behinderungen nicht automatisch im Planungsprozess mitgedacht und Barrierefreiheit normal ist.

Oder der Wechsel auf ein E-Auto scheitert daran, dass keine barrierefrei zugängliche Ladesäule vorhanden ist. – Obwohl es technisch sehr gut möglich ist. Gleichzeitig sind Elektro-Fahrzeuge für sehbehinderte Menschen schlecht wahrnehmbar, da sie sehr geräuscharm sind. Ein einheitliches akustisches Signal wäre hier z.B. wichtig.
Ist einmal etwas gebaut, ist es schwierig, nachträglich etwas zu ändern. Doch vor dem Bau, in der Planungsphase, lässt sich Barrierefreiheit gut einplanen. Es muss „nur“ daran gedacht werden.

Im Alltag können z.B. auch barrierefreie, energiesparende Haushaltsgeräte zum Klimaschutz beitragen. Wenn sie von allen genutzt werden können, wird ein klimaschonender Lebensstil für alle Menschen möglich. Dazu braucht es z.B. neben dem immer weiter verbreiteten Touchsreen auch tastbare Elemente und eine Sprachausgabe.

Es ist nicht akzeptabel, dass Menschen mit Behinderungen bei Klimakatastrophen weniger geschützt sind und Warnungen z.B. nicht barrierefrei zugänglich sind. Leider schließen Notfallpläne Menschen mit Behinderungen oft nicht ein: Notunterkünfte sind nicht barrierefrei, Evakuierungspläne haben keine Szenarien für Menschen mit Behinderungen, Katastrophenwarnungen sind nicht für alle zugänglich.

Ein Beispiel: In Deutschland sind bei der Flutkatastrophe im Ahrtal im Juli 2021 in Sinzig 12 Menschen mit Behinderungen im Erdgeschoss einer Wohneinrichtung ums Leben gekommen. Das ist sehr tragisch – bei rechtzeitiger Warnung und Unterstützung hätten die Bewohner:innen evakuiert werden können. Die Doku „Allein gelassen in der Flut“ (30 min) versucht, die Vorgänge der Flutnacht zu rekonstruieren (Bei der Doku lassen sich Untertitel und DGS einblenden. Hinweis: Triggerwarnung Hochwasser, Tod, Umgang mit Behörden)
 

Klimaschutz braucht alle Menschen! / © Markus Spiske, unplash.com

 

Inklusiver Klimaaktivismus

Doch die Annahme, dass sich Menschen mit Behinderungen nicht am Klimaschutz beteiligen können und wollen, ist von Diskriminierung geprägt und trifft nicht zu. Wir sind hier, wir haben eine Stimme, wir sind nicht passiv. Wir wollen und müssen Teil des Umdenkens sein. Wir Menschen mit Behinderungen müssen gehört werden, damit nachhaltige Entwicklung inklusiv ist und alle Menschen mitnimmt.

Bisher werden Menschen mit Behinderung im Klimaschutz noch zu wenig mitgedacht. So geht Potential verloren. Das muss sich ändern. Hilfst du mit?
 

Wie inklusiver Klimaaktivismus gelingen kann, erfährst du in einer weiteren Story.
 

Nachhaltige Entwicklung und Klimaschutz müssen inklusiv sein / © Markus Spiske, unplash.com

 


 

Quellenangaben:

Konferenz „Klimakrise – ohne uns keine Zukunft“ (16.9.2022 in Wien), veranstaltet vom Österreichischen Behindertenrat (Livestream)

https://kobinet-nachrichten.org/2019/10/15/klimakrise-verstaerkt-barrieren-fuer-menschen-mit-behinderungen/  (letzter Zugriff 22.9.2022)

https://raul.de/kolumnen/heisse-debatten-der-klimawandel-bedroht-besonders-behinderte-und-alte/ (letzter Zugriff 22.9.2022)

 


 

Die Autorin Stephanie

 

Eine Story von: Stephanie

Stephanie schreibt ehrenamtlich für die WWF Jugend Community. Sie ist im Redaktions- und Aktionsteam. Auch du kannst hier mitmachen - melde dich gerne bei uns.