Sommer, Müll und Franken - Der Clean Up Walk 2022

Published on September 21, 2022

In Bayern gibt es eine Beleidigung: Du oide Bachscherb`n. Das ist ziemlich gemein, denn im Bach in eine Glasscherbe zu treten, ist schon echt übel. Unsere Mission für diesen Clean Up Walk war, das Gegenteil einer oiden Bachscherb`n zu sein. Wir waren die Leute, die die Scherben, Plastikverpackungen und Sperrmüllabfällle aufgesammelt haben. Dabei sind 230,67 kg Müll zusammengekommen.

Was wir erlebt haben, könnt ihr im Detail auf unserer Spendenseite nachlesen. Dort haben wir tägliche Updates gepostet. Die Spendenaktion läuft noch und wir freuen uns über jede Unterstützung!

WAS WIR GEFUNDEN HABEN

Insgesamt haben wir 230,67 kg Müll gefunden und entsorgt. Die besten Funde: vier Autoreifen samt Felgen, einen einzelnen Inliner, einen Explosions-Simulator aus den 90ern, eine Regentonne in ihren Einzelteilen, mehrere Schuhe, Straßenlampen, etwas, das wir einem Hochdruckreiniger zuordneten, ein Rezept für Überraschungs-Karotten-Muffins, eine Mehrweg-Tasche voller leerer Jacobs Krönung Kaffee-Gläser, eine Schneehose für Kinder und einen Besen.

Müll haben wir gesucht und gefunden. Doch manche Funde kamen ganz unverhofft und hatten gar nichts mit Müll zu tun. Z.B. sind wir 30 Minuten nachdem wir zu unserer 4. Etappe aufgebrochen sind auf den Hofladen des Biohofs Preising gestoßen. Dort gab es veganes, selbstgemachtes Bio-Schokoeis. Und wer kann da bitte widerstehen, selbst um halb elf Uhr morgens?!

Generell stellt sich die Frage: Ist alles, was in der Natur liegt und da nicht hingehört, gleich Müll? Dieser Clean Up Walk hat gezeigt: Manchmal kann Müll noch sehr nützlich sein. Wir haben z.B. ein volles Fläschchen Nagellack gefunden, und uns damit für den letzten Abend im Biergarten hübsch gemacht. Außerdem lag dieses Jahr das Geld wortwörtlich auf der Straße. An einem Tag haben wir 5ct gefunden, am nächsten 50ct und am letzten Tag der absolute Hammer: einen 50€ Schein. Der lag neben anderem Müll an einer Bundesstraße.

WAS MÜLL ÜBER UNS VERRÄT

Die Materialitäten des Alltags und auch das Zeug, das wir wegschmeißen, sagt einiges über unsere Gesellschaft aus. Beim Clean Up Walk 2020 füllten sich z.B. unsere Müllsäcke zum ersten Mal mit Atemmasken, Einweghandschuhen und Desinfektionstüchern sowie -fläschchen. Die Masken haben wir extra gesammelt und am Ende des Walks gezählt. Vielleicht dachten wir, die vielen Masken werden den Clean Up Walk 2020 besonders machen. Das ist rückblickend echt süß. Denn auch 2022 haben wir noch Masken gefunden, dazu Corona-Tests und anderen Pandemie-Müll.

Und was ist 2022 neu? Unter Jugendlichen gibt es seit neuestem einen Trend: Elf Bars. Das sind E-Zigaretten, die nach Zuckerwatte, Cola und Strawberry Cheesecake schmecken. Eine Elf Bar kostet 7-10€, beinhaltet ca. 600 Züge und ist ein Wegwerfprodukt. Dabei müssten sie wegen des integrierten Akkus eigentlich im Elektroschrott entsorgt oder zum Wertstoffhof gebracht werden. Meistens landen sie aber einfach im nächstgelegenen Mülleimer oder eben auf unserer Müll-Sammel-Route. Dadurch gelangen diverse Schadstoffe in die Umwelt. Mehr dazu hier.

WO WIR WAREN

Wir waren in Franken und sind den Main flussaufwärts langgewandert. Die Region, vor allem der Main-Spessart, ist von Weinbergen, Hügeln, Burgen und Ruinen, Fachwerk und schönen Altstädten geprägt. Franken ist zwar Franken, aber halt auch immer noch Bayern. Und das hat man gemerkt:

Wir sind von Gemünden am Main bis Würzburg eine Strecke von 57,9km gelaufen. Da wir aber beim Wandern Müll sammeln, also kreuz und quer laufen, machen wir deutlich mehr Kilometer als die Route uns vorgibt. Zudem kamen in diesem Jahr einige Höhenkilometer dazu. Aber dass der Clean Up Walk an einigen Stellen auch eine körperliche Herausforderung ist, ist ja bekannt. Basti sagt, man bekommt beim Clean Up Walk immer drei Beinmuskeln mehr.
Die meiste Zeit könnten wir die Weinberge und Schieferfelsen aus der Ferne bewundern. Wenn man nicht hoch muss, sind sie auch deutlich schöner. Und wenn man sich doch mal nach oben kämpft und zufällig gerade Zeit für die Mittagspause ist, gibt es nichts schöneres als im Schatten eines Apfelbaums ein Agave-Senf-Brot zu mampfen und ins Tal zu blicken, während zwischen unseren Köpfen und den Schäfchenwolken im blauen Himmel ein Rotmilan kreist.

WIR UNTER FAHRRÄDERN

Viele Dinge haben diesen Walk besonders gemacht, u.a. die vielen Interaktionen mit Wanderern und Radfahrenden, die uns Lob zuriefen oder sogar anhielten, um zu fragen, was wir machen. Viele nickten anerkennend, viele schüttelten den Kopf über all den Müll, den wir fanden, und einige erzählten uns von ihren eigenen Projekten. Ein Anwohner von Veitshöchheim erzählte, dass es in der Region so sauber ist, dass er gar nicht weiß, wo er mit seiner Mountainbike-Gruppe am World Clean Up Day Müll sammeln gehen soll. Wir lachten zusammen über dieses Luxus-Problem.

Wenn man jung ist und durch die Warnwesten als Gruppe erkenntlich durch die Gegend läuft, deuten das einige Leute als Gesprächseinladung – vor allem im kontaktfreudigen Franken. Auch wenn die Interaktionen manchmal mehr Mono- als Dialog waren, freut es uns, wenn wir mit den Menschen vor Ort in Kontakt kommen. Und an den Dialekt haben wir uns schnell gewöhnt. 

2020 haben wir die Atemschutzmasken gezählt. Mein Vorschlag fürs nächste Jahr ist, jeden Radfahrer zu zählen, der allein mit seiner Muskelkraft fährt. Was vor allem an uns vorbeirauscht, sind E-Bikes, E-Bikes, E-Bikes. Das ist schön, denn dadurch gehen mehr Leute auf Radtouren. Allerdings merkt man das auch am Müll. Vor allem die Taschentücher, die man immer findet, wenn man den Weg verlässt und ein paar Meter ins Gebüsch reinläuft, sind besonders eklig aufzusammeln. Und an alle, die denken „Ist ja nur Zellulose“ sei gesagt: Ne, da sind Bleichmittel drin und die tun keinem Boden gut.

WIR ALS TEAM

Bei jedem Clean Up Walk entstehen neue Insider. Ich werde z.B. noch lange an Doro denken, wenn ich Erbsen kaufe. Oder an Svante, wenn ich das nächste mal Chili Sin Carne esse. Wieder andere denken vielleicht an mich (Lena), wenn sie Reis kochen. Und war es eigentlich die durch-7-plus-2 oder durch-2-plus-7-Regel? Sind Google-Rezensionen von Eisdielen nicht mehr etwas für 50-Jährige Urlauber in Jack-Wolfskin-Jacken? Wie erfolgreich werden die WWF Jugend Aktionsgruppen „Jugendherbergen“ und „Braunschweiger Denkmal“ sein? Was tun die veganen Superkräfte wirklich? Wer schnarcht hier? Und was macht eigentlich das Orga-Team, wenn alle Teilnehmenden mit Spülen beauftragt werden? Werden wir je den perfekten Bollerwagen finden? Wer von uns wird die erste Bollerwagenhirtin?

Und wenn ihr das jetzt gerade lest und nur Bahnhof versteht, kann das nur eins bedeutet: Ihr wart nicht dabei. Und die goldene Regel lautet nunmal: Was auf dem CUW passiert, bleibt auf dem CUW. Aber vielleicht macht euch das ja Lust, nächstes Jahr dabei zu sein. Wann und wo das sein wird, geben wir noch dieses Jahr bekannt.

WEM WIR DANKEN WOLLEN

Dieses Jahr hatten wir einen besonderen Unterstützer: Die Stiftung Neue Perspektiven von Michael Beckhäuser hat uns nach Franken gelockt. An dieser Stelle ein großes Dankeschön an Michael für die Unterstützung bei der Müllentsorgung, dem Materialversand (hier auch Dank an Marion Eberhardt) die Einladung in den Biergarten und in die Jugendherberge am letzten Abend.  

Außerdem bedanken wir uns bei der Evangelisch-lutherischen Gemeinde Gemünden, der katholische Kirche Gössenheim, der Gemeinde "Zur heiligen Familie" in Karlstadt, dem FSV Zellingen, der Kuratiegemeinde "Allerheiligste Dreifaltigkeit" in Veitshöchheim, der Entsorgungsfirmen Kirsch&Sohn und Team Orange, dem Landkreis Main-Spessart, der Umweltstation in Würzburg, all den Menschen, die uns unterwegs oder online in unserem Engagement bestärkt haben und allen Menschen, die gespendet haben oder es noch tun werden.
Und Danke an Johanna, Basti, Jessi, Dominik, Svante, Lena, Doro und Maren.

Und jetzt?

Jetzt heißt es: Let`s weiter. Wir kämpfen weiter gegen die Plastikflut. Beim ersten Schritt könnt ihr uns ganz einfach helfen: Teilt unsere Spendenaktion. Wir sammeln Geld für ein WWF-Projekt auf Phú Quốc, die größte Insel Vietnams. Durch den gestiegenen Tourismus wird es immer schwieriger, den anfallenden Müll zu händeln. Deshalb soll jetzt ein Abfallmanagement her, das die einzigartige Natur und die Heimat der Menschen vor Ort schützt. Hier geht’s zur Spendenseite.

Der Clean Up Walk im Main-Echo.
Und hier könnt ihr einen längeren Artikel der Main-Post über unsere Aktion lesen.


 


Die Autorin Lena

Eine Story von: Lena

Lena schreibt ehrenamtlich für die WWF Jugend Community. Sie ist im Redaktions- und Aktionsteam. Auch du kannst hier mitmachen - melde dich gerne bei uns.

Hast du Lust, nächstes Jahr dabei zu sein?