
Waldwissen 6/6 - Nationalparks (Teil 2)
Kraftvoll, verwunschen, mystisch - der Wald hat auf uns eine magische Anziehungskraft. Die überwiegende Zeit unserer Entwicklungsgeschichte lebten wir Menschen im und vom Wald. Doch inzwischen scheinen wir die Verbindung zur Natur zu verlieren. Wird der Wald uns fremd? Nicht, wenn wir uns wieder auf das Abenteuer einlassen, ihn neu zu entdecken.
In diesen Wochen bekommst du bei uns viele Inspirationen und Anregungen, wie du wieder mehr Zeit im Wald verbringen kannst. Wir laden dich ein, diesen Frühling zu deinem Waldfrühling zu machen!
Im ersten Teil dieses Berichts habe ich euch sieben der 13 Wald-Nationalparks in Deutschland vorgestellt: Bayrischer Wald, Schwarzwald, Bertesgaden, Sächsische Schweiz, Heinich, Hunsrück-Hochwald und Kellerwald-Edersee.
Sechs Nationalparks, die Wald enthalten, fehlen noch und ich möchte sie euch nun noch kurz vorstellen.
8. Der mystische -Nationalpark Harz
Der Harz ist Deutschlands nördlichstes Mittelgebirge. Er überragt die Norddeutsche Tiefebene um rund 800 m. Das ist der Grund für besondere meteorologische Bedingungen: Die Niederschläge im Gebirge sind dreimal so ergiebig wie im Flachland, der Schnee bleibt bis zu sechs Monate liegen und in acht Monaten des Jahres kann es Frost geben. Solche Bedingungen lassen sich sonst in den Alpen über 2000 m finden. Am bekanntesten ist wohl der Brocken, der höchste Berg des Harzes. Woher der Name stammt, ist ungeklärt, vielleicht vom niederdeutschen Wort „Brook“ (Moor). Schon vor Jahrhunderten behaupteten die Besucher des Gipfels, dass es dort nicht mit rechten Dingen zugehe. Die „Brockengespenster“ oder Hexen -je nach Erzählung- kann man theoretisch heute noch sehen, nämlich immer dann, wenn die Sonne tiefer steht als der Betrachter und es nebelig ist. Die verzerrten Nebelfetzen wurden schnell mal zu magischen Gebilden erklärt. Zum Hexentanzplatz in der Walpurgisnacht hat aber erst Goethe den Brocken gemacht. Der Ort hatte ihn so beeindruckt, dass er die Geschichte von den tanzenden Hexen von einem anderen Ort in den Harz verlegte. Die erste wissenschaftliche Untersuchung des Harzes unternahm 1570 der Arzt Johann Thal, der die Vegetation rund um den Brocken beschrieb. Bis ins 14. Jahrhundert herrschte im Harz ein bunter Mischwald vor. Das änderte sich durch den Torfabbau und den intensiven Bergbau, für den ein Großteil des Waldes abgeholzt wurde. Im 18. Jahrhundert wurde zwar aufgeforstet, aber aus wirtschaftlichen Gründen, weshalb Fichtenmonokulturen gepflanzt wurden. Im 20. Jahrhundert folgten andere Nutzungen: Erst ein Sendemast auf dem Brocken und nach der Teilung Deutschlands dann die militärische Nutzung. Am 13. August 1961 wurde der Gipfel militärisches Sperrgebiet und mit einer Mauer abgetrennt. Während der 28 Jahre, in denen Zivilisten den Brocken nicht betreten durften, konnte sich die Vegetation dort weitgehend ungestört entwickeln. Dort wächst auch das Wahrzeichen des Brockens, die Brockenanemone (Pulsatilla alpina alpina). Den Schutz als Nationalpark bekam der Harz dann nach der Wiedervereinigung: 1994 als Nationalpark Hochharz in Sachsen-Anhalt, 1994 als Nationalpark Harz in Niedersachsen. 2006 wurden beide Parks vereint, so dass das heutige Schutzgebiet ca. 25 000 Hektar umfasst.

9. Der Tigerwald - Nationalpark Eifel
Moment, Tiger in der Eifel? Na ja fast, richtige Tiger leben hier zwar nicht, aber das Wappentier des Nationalparks, der „Eifeltiger“, auch bekannt als Wildkatze. Die Tiere im Park sind Teil einer der größten europäischen Wildkatzenpopulationen. Allein im Nationalpark Eifel leben über 50 von ihnen. Zu sehen sind sie allerdings selten. Dass sie heute in einem Nationalpark leben, verdanken sie einem ehemaligen Truppenübungsplatz der belgischen Armee, der 2005 aufgegeben wurde. Diese Chance nutzte Nordrhein-Westfalen, um endlich auch einen Nationalpark ausweisen zu können. Seit 2004 schützt der Nationalpark 109 Quadratkilometer, eingebettet in den viel älteren, staatenübergreifenden Naturpark Venn-Eifel. Eine Besonderheit des Nationalparks: Er schützt als erster Buchenwälder auf sauren Standorten. Doch wie überall in Deutschland wurden auch hier seit dem 17. Jahrhundert Fichten gepflanzt, die wohl auch weiterhin dort wachsen würden, wenn die Parkranger nicht Buchen nachpflanzen würden.

10. Die Auenlandschaft – Nationalpark Unteres Odertal
Brandenburgs einziger Nationalpark ist zugleich der einzige deutsche Nationalpark, der eine Auenlandschaft schützt. Das untere Odertal wurde vor allem durch das Abschmelzen der Gletscher in der letzten Eiszeit vor ca. 10 000 Jahren geprägt. In dieser Landschaft lebten Elche und Bieber, in der Oder laichten Störe und Forellen. Als sich Menschen ansiedelten, zerstörten die häufigen Hochwasser die Ernten Im 19. Jahrhundert begann man mit der Errichtung von Deichen und der Begradigung der Oder. Es entstanden Deiche von 177 Kilometern Länge. Trotzdem ist das untere Odertal eine der wenigen naturnahen Flussauen in Mitteleuropa. 1992 vereinbarten Polen und Deutschland daher, ein grenzüberschreitendes Schutzgebiet „Internationalpark Unteres Odertal“. Der Nationalpark auf deutscher Seite sowie die Landschaftsschutzparks Unteres Odertal und Zehden auf polnischer Seite umfassen gemeinsam 118 000 Hektar. Anders als bei anderen europäischen Flüssen gibt es hier immer noch regelmäßig größere Überflutungen. Im Nationalpark rasten im Frühling und Herbst mehr als 200 000 Vögel 45 verschiedener Arten auf ihrem Zugweg. 284 Vogelarten wurden im Tal beobachtet, 120 davon brüten auch dort, beispielsweise See- und Schreiadler, Kraniche und Wachtelkönige. Aber auch jede Menge Amphibien- und Fischarten leben im unteren Odertal. Seit 1994 gibt es ein Wiederansiedlungsprojekt des vor über 100 Jahren in der Oder ausgestorbenen Störs. Und was ist mit dem Wald im Nationalpark? Die meisten von uns denken bei Wäldern wahrscheinlich erst mal nicht an Weiden. Es gibt Weichholz- und Hartholzauenwälder. Beide sind durch die Regulierung der Flüsse selten geworden, auch im unteren Odertal. Heute dominieren Weichholzauen entlang der Altarme, die auf wiederkehrende Überflutungen angewiesen sind. Eine typische Baumart für diesen Wald ist die Silberweide. Sie verträgt bis zu 300 Überflutungstage. In den höher gelegenen Gebieten wachsen Hartholzauen mit Flatterulmen und Stieleichen. Auf den dauerhaft nassen Flächen wachsen Erlenbruchwälder. An den Hängen des Odertals gibt es wiederum Laub- und Kiefernwälder.

11. Der mit den 100 Seen– Nationalpark Müritz
Unser nächster Nationalpark beherbergt in seinen 322 Quadratkilometern mehr als 100 Seen -und dabei sind Gewässer kleiner als ein Hektar gar nicht mitgezählt. Kein Wunder, dass der Nationalpark auch den Namen eines dieser Seen trägt: Die Müritz ist mit 117 Quadratkilometern der zweitgrößte See Deutschlands. Zwar ist der See an seiner tiefsten Stelle 31 m tief, im Durchschnitt aber nur sechs Meter. Entstanden ist die Müritz wie auch die anderen Seen der Mecklenburgischen Seenplatte durch Gletscher in der Weichseleiszeit. Durch die vielen Gewässer, von großen Seen bis zu kleinen Tümpeln, bietet der Nationalpark eine Vielzahl an Lebensräumen. Das bedingt eine hohe Tier- und Pflanzenartenzahl. Neben See- und Fischadlern, Kranichen, Eisvögeln und Fischottern leben hier auch weniger bekannte Arten wie Kolbenenten; Rohrdommeln und Moorfrösche. Letztere färben sich im Frühling zur Balz hellblau. Wie auch die Sächsische Schweiz besteht der Nationalpark aus zwei Teilen, die durch einen schmalen Korridor getrennt sind. Ein Naturschutzgebiet gab es hier schon 1931, die erste europäische Lehrstätte für Naturschutz in den Fünfzigern. Zum Nationalpark machte die DDR-Regierung das Gebiet 1990 in einer ihrer letzten Amtshandlungen.
Übrigens: Auch hier gilt in der Kernzone ein Wegegebot, allerdings handelt es sich bei diesen Wegen teils auch um "Kanuwanderwege". Man kann super mit dem Kanu auf ausgewisenen Strecken durch die Kernzone paddeln und den Wald vom Boot aus bewundern. Anlgeen und Aussteigen sind jedoch verbobten.

12. Der Kranichrastplatz – Nationalpark Vorpommersche Boddenlandschaft
Auch nicht direkt an Wälder denke ich, wenn ich den Namen des nächsten Nationalparks höre. Die vorpommersche Boddenküste ist eine der jüngsten Landschaften in Deutschland und entstand ebenfalls mit dem Abschmelzen des skandinavischen Inlandeises. Sie ist geprägt durch den Wechsel von Land und Wasser und Bodden und offenem Meer. Aber immerhin die Hälfte der Landfläche des Nationalparks sind Wälder. Diese müssen allerdings stark maritimen Einflüssen und vor allem extremem Wind widerstehen. Auf den Dünen bilden Kiefern die Pionierarten. Der Wald ist hier meist licht, was eine artenreiche Krautschicht mit einem hohen Anteil bedrohter Arten ermöglicht. Je weiter der Wald von der Küste entfernt ist, desto dicker wird die Humusschicht und desto mehr Eichen und Rotbuchen kommen hinzu. Neben den Wäldern besteht der Nationalpark aus Heide, Salzgrasland, Stränden, Steilküsten, Windwatt, das zwar nicht durch die in der Ostsee schwachen Gezeiten, aber durch strake Winde trocken fällt, sowie den Boddengewässern. Diese durch Inseln und Landzungen vom Meer abgetrennten Gewässer unterscheiden sich vom Meerwasser durch einen niedrigeren Salzgehalt, fehlenden Seegang sowie einen größeren Nährstoffreichtum. Eine Gefährdung für die Boddengewässer stellte und stellt die Gülle- und Abwassereinleitung da, die seit der Ausweisung des Nationalparks reguliert wird. Zentrales Ziel des 786 Quadratkilometer großen Nationalparks ist der Erhalt der natürlichen Küstendynamik mit den dadurch entstandenen Ökosystemen. Besuchermagnet und Symboltier des Parks ist der Kranich. Das Gebiet liegt auf einer der Hauptzugrouten der Tiere. Einige Zehntausend von ihnen rasten dort jährlich, einige brüten auch im Nationalpark.

13. Der kleinste – Nationalpark Jasmund
Geographisch nicht weit entfernt liegt schon der nächste und kleinste Nationalpark: Jasmund, eine Halbinsel der Insel Rügen. Auch hier denken die meisten wahrscheinlich erst einmal nicht an Wälder, sondern an die berühmten Kreidefelsen wie den 118 Meter hohen Königsstuhl. Im Nationalpark liegt aber auch das größte zusammenhängende Buchenwaldgebiet an der Ostsee, das Teil des von der UNESCO geschützten Gebietes Buchenwälder in den Karpaten und alte Buchenwälder in Deutschland ist. Über 80 Prozent der Waldfläche im Nationalpark sind durch Buchen dominiert. In feuchteren Gebieten finden sich auch Eschen und Erlen und an den Steilhängen Ahorn und Ulme. Schon im 16. Jahrhundert gab es eine erste Holzordnung, die verhindern sollte, dass der Wald als Rohstofflieferant unbedacht ausgebeutet wird. Im 19. Und 20. Jahrhundert wurde zunehmend Kreide abgebaut. Zum Schutz des Gebietes wurde deshalb 1929 ein Naturschutzgebiet ausgewiesen. Ein weiteres folgte 1986, bis 1990 schließlich gemeinsam mit anderen Nationalparks von der DDR noch der Nationalpark Jasmund gegründet wurde. Jasmund als Lebensraum wird charakterisiert durch die Insellage und das inselartige Vorkommen der Kreide sowie durch das vom Meer geprägte Klima. Im Wald leben Dam- und Rothirsch, Rehe und Wildschweine, an den Steilküsten zum Beispiel Mehlschwalben und Seeadler. Die Feuchtgebiete zeichnen sich durch eine hohe Zahl an Amphibien- und Reptilienarten aus wie Rotbauchunke, Kammmolch und Springfrosch.

Hast du auch Lust bekommen, dich in den Zug zu setzen und diese unglaublichen Landschaften zu erkunden? Ich habe mir schon vor einer Weile vorgenommen, allen 16 deutschen Nationalparks mal einen Besuch abzustatten.
Alle Aufgaben und Berichte rund um den Waldfrühling -zum Beispiel ein Rezept für Wildkräuterpesto oder ein Interview mit einem Förster - findest du in unserem Team Natur schützen.
Bilder: pixabay.com
Titelbild: © Marcel Gluschak / WWF (Das Bild zeigt einen Zaunkönig auf einem Baumstumpf.)
Quelle:
"Wildes Deutschland Der umfassende Reiseführer zu allen Nationalparks mit ausgewählten Touren und Expertentipps", Norbert Rosing, 2. Auflage

Die Autorin Johanna
Eine Story von Johanna
Johanna schreibt ehrenamtlich für die WWF Jugend Community. Sie ist im Redaktions- und Aktionsteam. Auch du kannst hier mitmachen - komm in unser Team.