It`s the season! - Der Wahnsinn der Zugvögeljagd auf Malta

Published on November 1, 2018

Malta im Herbst – die reinste Idylle. Ich war gerade im inzwischen angenehm erfrischenden Mittelmeer baden und klettere jetzt den Hang von der Bucht zur Hauptstraße wieder hoch. Laute Knalle haben mein Interesse geweckt. Sobald ich aus dem Schallschutz der Bucht raus bin, höre ich es noch deutlicher. Und zwar aus allen Richtungen. Das, was ich am Vormittag nur vermuten konnte, bestätigt sich mir nun: Schüsse. Überall auf der Insel wird geschossen. Scheinbar wurde eine Jagdsaison eröffnet, denn von einem Tag auf den anderen ging das plötzlich los.

Ich will der Sache auf den Grund gehen und laufe tiefer in die karge Landschaft, immer den lauten Schüssen nach. Doch ich sehe keine Jäger und vor allem keine Tiere. Auf Malta gibt es keine Wälder und auch ansonsten ist die Insel so trocken, dass ich mir gar nicht vorstellen kann, was denn hier so eifrig geschossen werden soll. Je tiefer ich ins Land komme, desto mehr Schüsse höre ich. Und dann sehe ich am Ende eines kleinen Weges einen Mann mit einem Gewehr stehen. Sobald ich auf ihn zugehe, verschwindet er im Gebüsch. Auf einmal höre ich Vogelgezwitscher. Endlich mal ein Hinweis auf das Ziel dieser rumballernden Leute. Je näher ich komme, desto lauter scheinen die Vögel zu werden. Und dann bietet sich mir plötzlich folgendes Szenario: Der Mann, den ich gerade gesehen habe, sitzt in einem Gartenstuhl auf einem kleinen Feld, in seinem Schoß ein Jagdgewehr und 15 m vor ihm ein Plastikeimer, in den er offensichtlich sein Handy o.Ä. gelegt hat, um Vogelgezwitscher abzuspielen und seine Beute anzulocken. Ich spreche ich an: „Excuse me, what are you doing?“. Ohne sich zu mir umzudrehen antwortet er: „It`s the season.“. Verwirrt versuche ich zu erfragen, wessen "season" er meint. Doch er antwortet nur: „It`s the season.“. „Do you shoot the birds?“, frage ich schließlich. Er nickt. „It`s the season.“
„But why? Why do you shoot them?“. Er schaut mich genauso fragend an wie ich ihn. Er zuckt die Schultern. „The season, you know.“ Er dreht sich wieder zu seinem Eimer um und ich bin drauf und dran zu gehen, da sagt er plötzlich: „It`s like a sport, you know.“. Aha. Endlich. Ein Sport also. Zuhause fang ich an zu googeln. Die Vogeljagd scheint auf Malta ein riesiges Problem zu sein. 32 Zugvogelarten dürfen während der Jagdsaison auf Malta abgeschossen werden, darunter auch seltene Arten wie z.B. die Turteltaube.

Turteltauben - ein Symbol des Liebesgglücks, und leider auch der Zugvögeljagd auf Malta © Wild Wonders of Europe / Markus Varesvuo / WWF


Das Land Malta, weniger als halb so groß wie Berlin, wird somit zum weltweit am intensivsten bejagten Stück Erde. Und das als EU-Mitgliedsstaat! Was ein Irrsinn, denke ich. Wie kann das sein?
Vor zehn Jahren konnten alle Vogelschützer einen kurzen Moment aufatmen: Es wurde beschlossen, dass alle Jagdregelungen Maltas im Einklang mit der EU-Vogelschutzrichtlinie stehen müssen. Gewisse Übergangsregelungen für den Fang von Finkenarten und eine Frühjahrsbejagung von Wachteln und Turteltauben sind damit ausgelaufen. Doch bereits ein Jahr später wird Malta eine Ausnahmeregelung zugesprochen. Diese basiert auf einem Referendum: 50,4% der Bürger haben für die freie Jagd gestimmt. Bei einem kleinen Land wie Malta sind das nur 1.600 Stimmen mehr als die Hälfte!

Malta und die EU - in Sachen Vogelschutz Meilesteine auseinander © Lena Chiari


Immerhin, die Frühlingsjagd ist immer noch illegal. Denn diese ist für die Fortpflanzungskette besonders fatal. Die Zugvögel werden vom Himmel geholt, bevor sie in Deutschland oder anderswo brüten. Trotzdem wird im Frühjahr auf Malta geschossen. Polizei und Wildhüter zeigen wenig Konsequenz. In den nächsten Tagen finde ich auch heraus, warum die maltesische Vogeljagd so ein harter Brocken ist: Schießen ist ein Volkssport. Es geht noch nicht einmal um die Vögel an sich. Die reine Freude an der Waffengewalt – die reine Freude am Töten bringt laut Schätzungen zufolge (taz) 14.000 Malteser dazu, Zugvögel zu schießen. Viele Tiere würden nach dem Abschuss auch gar nicht eingesammelt werden und bleiben einfach liegen. „Bei uns liegt das Jagen in den Genen“, sagt der Präsident des nationalen Jagdverbandes, Joseph Perici Calascione (Deutschlandfunk). Diese "Gene" führen allerdings dazu, dass einheimische Vogelarten fast ausgerottet werden. Daher wird Jagd auf Zugvögel gemacht, die im Herbst von Europa nach Afrika ziehen und die Insel im Mittelmeer als Raststation nutzen. NABU-Vogelschutzexperte Markus Nipkow berichtet: „Zu diesen Opfern zählen vor allem Wespenbussarde und andere Greifvögel, aber auch Reiher und andere oftmals sehr seltene Arten wie die Blauracke. Dieser früher weit verbreitete Vogel gilt in Deutschland seit kurzem als ausgestorben“ (NABU).
In den folgenden Tagen kann ich mich auf nichts anderes konzentrieren. Kein Wanderweg, keine Aussichtsplattform ohne das ständige Knallen der Jagdgewehre. Keine ruhige Stunde beim Kaffeetrinken auf dem Balkon, kein reines, entspannendes Wellenrauschen beim Lesen am Strand. Ein paar Tage später bekomme ich die Chance, erneut mit einem Hobbyjäger zu sprechen. Dieser schießt allerdings hauptsächlich auf Kaninchen, ist überaus freundlich und auch deutlich kommunikativer als mein erster Gesprächspartner. Neues erfahre ich aber nicht. Auf meine kritischen Fragen bezüglich des Naturschutzes zuckt er nur die Schultern und wiederholt lächelnd: „It`s a hobby. It`a a tradition. It`s the season, you know.“

Well, it`s the season.. © Lena Chiari

Doch der Naturschutz ist dran. Seit 2004 arbeitet z.B. der NABU mit der maltesischen Vogelschutz-Organisation BirdLife Malta zusammen. Die Vogelschützer unterstützen die Polizei, indem sie die Vogeljagd beobachten und Jagdverstöße dokumentieren. Doch es bleibt schwierig, die Täter zu überführen. Gelingt ein Nachweis wie etwa durch Videoaufnahmen, drohen immerhin höhere Strafen als in der Vergangenheit.
Weiterhin pocht Malta auf den internationales Recht brechenden Abschuss seltener Zugvögel. Und das einfach aus dem „Argument“ der Tradition…


 


Die Autorin Lena

Eine Story von: Lena

Lena schreibt ehrenamtlich für die WWF Jugend Community. Sie ist im Redaktions- und Aktionsteam. Auch du kannst hier mitmachen - melde dich gerne bei uns.

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