Ein Unverpackt-Laden entsteht Teil 4: Die Eröffnung

Published on February 26, 2018

Ich wiege meine mitgebrachten Beutelchen und Gläser ab, vermerke das Gewicht mit den bereitliegenden Stiften darauf und mache mich daran, alles zu befüllen. Reis und Quinoa rieseln aus den Spendern in die Säckchen und Spaghetti wandern in meine alte Chipsdose. Dann fülle ich die Gläschen mit Gewürzen, Tee und Zahnputztabs. Und mit den unglaublich leckeren schokoladenüberzogenen Kaffeebohnen, ohne die ich den Laden einfach nicht verlassen kann. Noch ein paar Eier in meinen alten Eierkarton und ein bisschen Gemüse in den Korb legen und ich kann mich mit meinem unverpackten Einkauf an der Kasse anstellen, hinter der Kati Fröhlich in ihrer hellgrünen Schürze steht. Darauf ist Katis Lieblingstier, die Schildkröte, zu sehen. Um ganz aktiv zum Schutz dieser wundervollen Meereslebewesen beizutragen, hat Kati den Jenaer Unverpackt-Laden Jeninchen Fröhlich Unverpackt Einkaufen gegründet. Dass man in Jena endlich müllfrei einkaufen kann, freut nicht nur mich wie verrückt, der gemütliche kleine Laden ist immer voller begeisterter Kunden. Seit das Jeninchen vor vier Monaten eröffnet hat, hat Kati kaum einen freien Tag gehabt. Trotzdem nimmt sie sich die Zeit, sich in ihrer Mittagspause mit mir zu einem Interview zusammenzusetzen.

(c) Mandala Fotografie Jena

 

Zuerst unterhalten wir uns über die Eröffnung im Oktober. Obwohl diese am Freitag dem 13. stattfand, hat alles super geklappt. Kati hatte sich gegen eine große Eröffnungsfeier entschieden und einfach nur den Laden aufgeschlossen – und die Kunden strömten nur so hinein, so sehnsüchtig hatten die Jenaer auf die Eröffnung gewartet. Von den ungefähr 130 Leuten, die am ersten Tag in Katis Laden kamen, machten einige sogar gleich richtige Großeinkäufe. Manche hatten ihre Vorräte in den Wochen vor der Eröffnung extra nicht im Supermarkt aufgefüllt, um direkt alles im Jeninchen kaufen zu können. Andere begnügten sich bei ihrem ersten verpackungsfreien Einkauf zunächst mit Süßigkeiten und Knabbereien, die Kati in ihrem Laden in großer Auswahl anbietet.

Natürlich kamen in der ersten Zeit auch viele Neugierige vorbei, die sich das Ganze einfach nur mal anschauen wollten. Aber auch für Spontaneinkäufer ist Kati bestens gerüstet: Wer keine Behälter mitgebracht hat, kann sich verschiedene Gläser und Flaschen im Laden kaufen oder sich einfach kostenlos am Kunden-für-Kunden-Korb bedienen, in dem Gläser und Dosen liegen, die Kunden gespendet haben. Mittlerweile hat Kati sehr viele Stammkunden, darunter hauptsächlich junge Familien und Studenten. Die Uni-Bibliothek ist nicht weit entfernt und gerade jetzt in der Prüfungszeit bietet es sich einfach an, sich im Jeninchen eine Dose mit Nervennahrung zu füllen. Das sollte man am besten dienstags erledigen, denn den hat Kati gerade zum Studententag erklärt: Wer seinen Studentenausweis vorweisen kann, bekommt 10% Rabatt auf Lebensmittel

(c) Mandala Fotografie Jena

 

Die Leute aus der Nachbarschaft nutzen ihre neue ganz besondere Einkaufsmöglichkeit ebenfalls aus. Da kommt es schon mal vor, dass der Nachbar mit dem Kochtopf vorbeikommt und sich eine Portion Nudeln fürs Abendessen abwiegt oder man auf dem Weg zur Arbeit noch für ein paar Cent einen Schuss Milch in den Kaffee im Thermobecher gibt. Das ist möglich, seit das Jeninchen vor ein paar Wochen eine Milchtankstelle bekommen hat, an der man sich selbst Milch in der Menge zapfen kann, in der man sie benötigt. Die Milch ist zwar nicht bio, aber dafür regional aus Abtlöbnitz. Der Hersteller Selma’s Landmilch beliefert in Jena noch eine weitere Milchtankstelle, sodass sich die Anreise auch lohnt. Die Kühe werden gentechnikfrei gefüttert und Kati hat sich vor Ort angesehen, wie sie gehalten werden.

Dass so viele der Produkte im Jeninchen wie möglich aus der Region kommen, liegt Kati sehr am Herzen, denn was bringt die weggelassene Verpackung, wenn dafür der Transport umso länger ausfällt? So kommt das Gemüse nicht im LKW zu Katis Laden, sondern auf dem Fahrrad, direkt vom Organic Urban Gardening-Projekt Flussland Jena. Dort kann man sich Gemüseparzellen saisonweise mieten, die mit über 30 verschiedenen Gemüsesorten bepflanzt werden. Anfang Mai werden die Parzellen dann an ihre Mieter übergeben, die jetzt ihr eigenes Bio-Gemüse am Saaleufer pflegen und ernten können. Kati bringt ihren Kunden saisonales und regionales Gemüse näher. Gurken und Tomaten sucht man im Winter in ihrem Gemüseregal vergeblich. Dafür hat sie eine wahre Begeisterung für den Toskana-Kohl vom Flussland ausgelöst, eine Kohlsorte, die viele vorher gar nicht kannten.

(c) Mandala Fotografie Jena

 

Sogar Bienenwachstücher, eine tolle Alternative zur Frischhaltefolie, bekommt Kati aus der Region. „Vieles fügt sich einfach“, meinte sie, als sie erzählt, wie sie nach einer regionalen Variante der Bienenwachstücher suchte und ihr plötzlich der Bio-Imker aus Apolda, der ihr Honig liefert, freudestrahlend erzählte, dass er jetzt was ganz Tolles herstellen würde. Er meinte die Bienenwachstücher, die man mittlerweile auch im Jeninchen kaufen kann. Ein weiteres regionales Produkt, das vor Kurzem Einzug ins Jeninchen erhalten hat, ist veganer Käse aus Gößnitz. Eine richtige Besonderheit, da man vegane Ersatzprodukte kaum ohne Plastikverpackung findet. Zum Beispiel Pflanzenmilch, die sich viele Kunden sehnlichst wünschen, gibt es einfach nicht plastikfrei. Nussmilch kann man sich aber auch ganz toll aus Nussmus machen und das gibt es bei Kati ganz frisch aus der Nussmusmaschine, immer abwechselnd Haselnuss-, Cashew- und Mandelmus. Darüber, ob die Nussmusmaschine angeschafft werden sollte, konnten die Kunden abstimmen.

Überhaupt geht Kati so gut sie kann auf die Wünsche ihrer Kunden ein. Zur Eröffnung hat sie ganz bewusst einige Spender leer gelassen, um sie mit Produkten zu füllen, die die Kunden sich wünschen. Eine große Tafel dient als Wunschzettel und so hat Kati mittlerweile auch glutenfreie Buchweizenflocken und Kochdinkel, eine Alternative zu Reis, in ihr Sortiment mit aufgenommen. Spaghetti hatten ganz viele Kunden auf ihrer Wunschliste. Das war nicht einfach, da die Nudeln aus Hygienegründen nicht einfach mit bloßen Händen entnommen werden dürfen, aber Kati hat eine Lösung gefunden: Bei den Spaghetti stehen ein Glas mit Baumwollhandschuhen sowie ein Glas für die benutzten Handschuhe, die dann gewaschen werden.

(c) Mandala Fotografie Jena

 

So wächst das Jeninchen ständig weiter, immer wieder gibt es etwas Neues zu entdecken. Arbeit im Unverpackt-Laden ist eben nicht nur hinter Kasse stehen. Wenn die Tür für die Kunden geschlossen ist, hat Kati noch lange nicht frei. Dann kümmert sie sich unter anderem darum, Lieferanten zu finden, um den Kunden ihre Herzenswünsche zu erfüllen, füllt alle Spender nach, was bei den schweren Säcken wirklich harte körperliche Arbeit ist, und erledigt den fälligen Papierkram. Auch sonntags ist Kati meistens im Laden beschäftigt. Es ist jede Menge zu tun und dabei hat Kati noch so viele andere tolle Projektideen. Sie hofft darauf, im Frühjahr oder Sommer eine gemeinsame Baumpflanzaktion mit der Safe Nature Group in Jena veranstalten zu können. Die liefert dem Jeninchen nicht nur leckeren Apfelsaft – sowohl in Pfandflaschen als auch zum Selbstabfüllen - , an sie geht auch sämtliches Trinkgeld, das Kati bekommt.

Auch wenn gerade keine Zeit ist, um Workshops anzubieten, tut Kati doch ihre Möglichstes, um über das Thema Plastikverschmutzung zu informieren. „Das Thema geht immer mehr in die Köpfe rein“, erklärt sie und erzählt von Schülern und Studenten, die Seminararbeiten zum Thema schreiben und Kati um Rat fragen. Das Jeninchen wird auch öfter zum Ausflugsziel für Schulklassen oder Kindergartengruppen und Kati freut sich immer wieder über das Interesse, das die Kinder zeigen, und die vielen Fragen, die sie stellen. Nicht selten kommt es vor, dass die Kinder dann ihre Eltern überreden, wieder mit ihnen ins Jeninchen zu kommen und dort einzukaufen. Besonders gerührt war Kati, als ihr eine Besucherin ein Deckchen brachte, auf das sie eine Schildkröte gestickt hatte.

„Du bist also immer noch froh, einen Unverpackt-Laden eröffnet zu haben?“, will ich zum Abschluss von ihr wissen und Kati antwortet mit leuchtenden Augen: „Es macht immer noch super viel Spaß, egal, wie erschöpft man ist, gerade, wenn man sieht, wie viel man erreichen, wie viel Müll man sparen kann.“ Da ist es kein Wunder, dass Katis Antwort auf meine Frage, ob sie es wieder machen würde, lautet: „Immer wieder.“ 

(c) Mandala Fotografie Jena

 

Noch mehr über die Gründung des Jeninchens erfahrt ihr in diesen Berichten:

Teil 1: Die Idee  
Teil 2: Das Crowdfunding  
Teil 3: Die Ladensuche


 

Eine Story von: Anne

Anne schreibt ehrenamtlich für die WWF Jugend Community und ist im Redaktions- und Aktionsteam. Auch du kannst hier mitmachen - melde dich gerne bei uns.

Wart ihr schon mal in einem Unverpackt-Laden?