
Probleme von Flussbegradigungen
Flüsse sind lebenswichtige Ökosysteme, die nicht nur Wasser transportieren, sondern auch Lebensraum für zahlreiche Tier- und Pflanzenarten bieten. In Europa wurden viele Flüsse leider stark durch menschliche Eingriffe verändert, beispielsweise durch Begradigungen, Staustufen, Wehre und andere Barrieren, die ihre natürlichen Flussläufe unterbrechen. Diese Veränderungen haben viele Folgen für die Biodiversität, die Hochwasserregulierung und die Selbstreinigungsfähigkeit der Gewässer.
Barrieren in den Flüssen
Eine Studie des EU-Forschungsprojekts AMBER zeigt, dass Europas Flüsse massiv durch Querbauwerke zerschnitten sind. Insgesamt wurden 1,2 Millionen Barrieren in den Flüssen Europas gezählt, davon rund 225.000 in Deutschland. Diese Bauwerke, darunter Wehre, Dämme, Sohlschwellen oder kleine Wasserkraftanlagen, verhindern die natürliche Wanderung von Fischen und anderen Wasserorganismen.
Wandernde Arten wie Forellen oder Aale können ihre Laichgebiete nicht erreichen, und viele Fischtreppen funktionieren aufgrund von zu wenig Wasser, falschem Gefälle oder schlechter Zugänglichkeit nicht.
Neben den Auswirkungen auf die Tierwelt führen Barrieren auch zu einem gestörten Sedimenttransport. Kies und Sand, die für die Fortpflanzung vieler Fischarten und die Bildung natürlicher Flussstrukturen notwendig sind, werden nicht mehr flussabwärts transportiert, dadurch verlieren Flüsse ihre Fähigkeit zur Selbstreinigung, und die Gewässerdynamik wird erheblich eingeschränkt.
Ursachen für Flussbegradigungen
Viele Barrieren stammen aus dem Mittelalter und dienten ursprünglich dem Betrieb von Mühlen.
Im 20. Jahrhundert wurden zahlreiche Wehre in kleine Wasserkraftwerke umgebaut.
Auch Flussbegradigungen für die Landwirtschaft oder Infrastrukturmaßnahmen haben zur Errichtung weiterer Barrieren geführt. Durch Begradigungen erhöht sich das Gefälle des Flusses, was zu Tiefenerosion führt und Ufer sowie Bauwerke gefährdet. Um die Folgen abzumildern, wurden zusätzliche Sohlschwellen und Stufen eingebaut.
Besonders problematisch sind die vielen neuen kleinen Wasserkraftwerke, die teilweise staatlich gefördert werden. Auf dem Balkan etwa hat sich die Anzahl solcher Anlagen innerhalb weniger Jahre verdoppelt. Oft werden große Teile eines Flusses über Kanäle zu den Turbinen geleitet, sodass weite Strecken des natürlichen Bachbetts austrocknen und die darin lebenden Tiere vernichtet werden.
Folgen für Hochwasser und Umwelt
Flussbegradigungen haben auch massive Auswirkungen auf die Hochwasserentwicklung. In begradigten Flüssen fließt das Wasser schneller, wodurch Hochwasserwellen schneller und mit höherer Intensität flussabwärts gelangen.
Am Rhein etwa benötigt eine Hochwasserwelle heute nur noch die Hälfte der Zeit, die sie 1955 brauchte, um von Basel nach Karlsruhe zu gelangen. Gleichzeitig sind ehemals natürliche Überschwemmungsflächen, die Hochwasser abpuffern könnten, vielfach trockengelegt oder bebaut. Dies erhöht das Risiko von Überschwemmungen und verringert die Wasserspeicherung in der Landschaft.
Ansätze zur Renaturierung
Die negativen Folgen der Flussbegradigungen lassen sich durch gezielte Renaturierungsmaßnahmen lindern. Dabei werden Barrieren entfernt, Flussbetten wieder verlängert und gekrümmt sowie Auenlandschaften wieder an den Fluss angeschlossen. Dies ermöglicht den Flüssen, sich wieder frei zu entfalten, natürliche Sedimentprozesse ablaufen zu lassen und Lebensräume für Tiere zu schaffen.
Ein positives Beispiel ist die Lippe in Nordrhein-Westfalen:
Durch den Rückbau von Querbauwerken und die Wiederherstellung naturnaher Flussabschnitte konnte ein vielfältiger Fischbestand zurückkehren, und eine dynamische Flussaue entstand. Auch im Donau-Delta wurden auf Initiative des WWF und in Zusammenarbeit der Anrainerstaaten Rumänien, Bulgarien, Moldawien und der Ukraine über 225.000 Hektar zerstörter Überschwemmungsflächen renaturiert, wodurch Europas größter Auenkomplex entstand. Weitere erfolgreiche Projekte finden sich an der Mittleren Elbe und der Oder, wo ehemalige Pappelplantagen wieder in Auenwälder umgewandelt wurden, und die Flüsse wieder Überschwemmungsflächen nutzen können.
Quellen
Deutschlandfunk - Eingriffe in die Natur mit Nachteilen
IGB - Verstopfte Lebensadern: zu viele Barrieren in Europas Flüssen