
Hoffnung schreibt Geschichten: Lotta
Während des WWF Jugend Schreibwettbewerbs zum Thema „Hoffnung“ haben wir viele Kurzgeschichten erhalten, die uns berühren, Mut machen und zum Nachdenken anregen. In der Interviewreihe "Hoffnung schreibt Geschichte" möchten wir euch die Autor:innen und ihre Geschichten vorstellen.
Heute geht es um Lotta: Sie ist 17 Jahre alt und in ihrer Geschichte "Das Licht im Glas" geht es um ein kleines Mädchen namens Hope, das mit einem Lächeln und einem Krokus zeigt, wie selbst in grauen Zeiten neues Licht entstehen kann.
Interview mit Lotta
Magst du dich zum Einstieg einmal kurz vorstellen? Wer bist du, was begeistert dich?
Hey, ich heiße Lotta und siebzehn Jahre alt. Mich begeistert das Schreiben schon, seit ich klein bin. Ich liebe es, allein mit Worten ganze Welten mit eigenen Persönlichkeiten zu erschaffen. Das ist für mich deshalb so faszinierend, weil sich mir dabei die Möglichkeit bietet, Andere in diese Welten mitzunehmen.
Hast du ein Lieblingsbuch?
Ich habe viele Lieblingsbücher, aber momentan ist es ganz klar The Romeo & Juliet Society Trilogie. Ich liebe die Art, wie die Autorin die Charaktere zum Leben erweckt und wie raffiniert sie die Plot Twists einfädelt. Das sind Eigenschaften, die ich mir gerne abgucken würde.
Gab es einen bestimmten Moment, ein Gespräch oder ein Gefühl, das dich zum Schreiben inspiriert hat?
Schreiben tue ich schon seit ich schreiben kann. Lustiger Weise gibt es eine Kurzgeschichte, die ich mit sechs geschrieben habe. In riesengroßen Grundschul-Buchstaben ( ; Damit hat Alles angefangen und danach habe ich gemerkt, wie sehr ich mich gefreut habe, jedes Mal, wenn wir in der Schule eine Reiz Wort Geschichte oder Ähnliches schreiben sollten.
Was müsste sich deiner Meinung nach in der Gesellschaft verändern, damit Menschen ihr „inneres Leuchten“ wieder mehr spüren?
Ich glaube, dass das keine einfache Aufgabe ist. Momentan häufen sich die Anlässe, sich Sorgen zu machen. Aber ich denke, dass es ein Anfang wäre, würde sich jeder Mensch seinem „inneren Leuchten“ erst einmal bewusst werden. Wenn man erst einmal davon weis, kann man sich auch mehr um das eigene Wohlbefinden kümmern. Dann fällt es einem vielleicht leichter, auf sich selbst aber auch auf Andere zu achten. Ich vermute, das ist der Schlüssel. Dass wir nicht nur uns selbst aufmuntern, sondern auch den Menschen hoffnungsvoll gegenübertreten, denen wir im Alltag begegnen. Hoffnung kann nur bestehen, wenn sie weitergegeben wird.
Welche Szene war für dich am schwierigsten zu schreiben und welche am schönsten?
Es gab keinen wirklichen Moment, der mir schwerfiel. Was nicht immer ganz so schön ist, ist die Überarbeitung im Anschluss. Wenn man überlegen muss, was gestrichen werden kann und was bleiben muss. Am Schönsten war es für mich, die kleinen Hope zum Leben zu erwecken. Das ist für mich sowieso immer das Schönste. Zu sehen, wie die Charaktere lebendig werden.
Was bedeutet Hoffnung für dich persönlich?
Hoffnung bedeutet für mich, einen Ausweg zu haben. Die Möglichkeit etwas zu verändern. Das ist für mich am stärksten, da wo es Gemeinschaft und Zusammenhalt gibt.
Was möchtest du den Menschen, die deine Geschichte gleich lesen werden noch sagen?
Meine Geschichte findet nicht zufällig in einem Bus statt. Meiner Meinung nach ist das der bestmögliche Ort, etwas zu verändern. Die öffentlichen Verkehrsmittel. Wenn man die Menschen in Bus und Bahn einmal genauer unter die Lupe nimmt, stellt man schnell fest wie griesgrämig sie aus dem Fenster schauen. Und das ist auch nicht verwunderlich, bei all den Dingen, die uns Tag für Tag beschäftigen. Trotzdem tut es unheimlich gut, wenn man einfach mal ein nettes Lächeln geschenkt bekommt, während man auf dem Weg zur Schule ist. Das kann einem schonmal den ganzen Tag verbessern. Ich fände es schön, wenn man mehr von dieser Herzlichkeit sehen würde.
Lottas Kurzgeschichte: Das Licht im Glas
Wir leben in einer Welt, die von Kummer und Sorgen geprägt ist. Und weil die Menschen irgendwann aufhörten, an das Gute zu glauben, kamen die Funken zu uns auf die Erde. Funken, auch kleine Optimisten genannt, sind kleine glühende Wesen. Sie sind nicht groß, haben aber mittlerweile eine der wichtigsten Aufgaben der Menschheit. Sie sind dazu bestimmt, den Menschen die Hoffnung zurückzugeben. Seit die Funken auf unsere Erde gekommen sind, geht von jedem Menschen ein Glühen oder Leuchten aus, denn je ein Funke hat es sich in der Seele eines Menschen bequem gemacht. Woher die Funken kamen, weiß niemand so genau. Aber es steht fest, dass sie noch eine Menge Arbeit vor sich haben. Denn sie können uns nur an die Hoffnung erinnern, und uns dazu lenken, positiver zu denken. Ob ein Mensch die Hoffnung akzeptiert, hängt von der Person selbst ab.
Und im Moment, sieht es so aus, als würden nicht Viele auf den kleinen Optimisten in sich hören. Das dachte ich zumindest, bis ich eine ganz besondere Bekanntschaft machte:
Ich verfolgte den Regentropfen, der sich die Fensterscheibe entlang drückte, bis er mein Sichtfeld verließ. Dann beschlossen meine Augen auch schon, sich eine neue Beschäftigung zu suchen. Der Bus war rappelvoll. Es war warm, es war stickig und die Fenster waren so stark beschlagen, dass man kaum einen Blick nach draußen werfen konnte. Aber das brauchte man auch nicht. Etwas Sehenswertes gab es da draußen nämlich nicht. Es gab nichts als Straßenschilder, Autos und Teer. Daher lenkte ich meinen Blick auf das Innere des Busses. Die Farben der Sitze waren in ungesunden Farbkombinationen gehalten. Rot und Grün. Sie bildeten einen ironischen Kontrast zu den grauen Farben des bröckeligen Asphalts, der draußen auf mich wartete. Mir gegenüber saß ein alter Herr mit aschgrauem, dünnem Haar, der eine Zeitung laß.
„Flutkatastrophe in Spanien“ Mir sprangen die fett, gedruckten Letter auf der Rückseite entgegen und es fühlte sich an, als würden sie sich wie schwere Gewichte an mich hängen. Ich rutschte auf meinem Platz hin und her, um dieses erdrückende Gefühl abzuwimmeln, dass sich durch meinen Körper bahnte. Mein kleiner Optimist seufzte leise. „Schon wieder eine Flut. Natürlich“, dachte ich. Die letzten Abende hatte ich, anders als sonst, das Wohnzimmer verlassen, sobald auch nur das Intro der Tagesschau ertönte. Normalerweise zählte ich zu den Menschen, die interessiert am Weltgeschehen sind und sich gerne über politische Vorgänge informieren. Aber seien wir mal ehrlich. Es kommt doch sowieso immer nur das Gleiche.
Mindestens eine Flut durch den Klima Wandel, ein neues Arschloch, das zu Unrecht in eine Machtposition gelangt ist, Bomben die irgendwo eingeschlagen sind, und zum krönenden Abschluss ein Beitrag zu Gedenken einer berühmten, verstorbene Person. Irgendwann hatte ich es nicht mehr ausgehalten. Gegen so etwas kam selbst der Zuspruch meines Funken nicht mehr an. Während der Mann einen der anderen Artikel überflog, zog sich seine Stirn in Falten. Seine Haut flackerte alarmierend, wie bei dem Defekt einer Glühbirne. Es ist nämlich so, dass das Leuchten eines jeden Funkens, immer schwächer und schwächer wird, je hoffnungsloser sich sein Träger fühlt. Augenblicklich sah ich auf meine eigenen Hände. Sie leuchteten nicht mehr besonders hell und hatten ebenfalls vor kurzer Zeit begonnen, immer wieder bedrohlich zu flackern.
Der Bus hielt an. Einige Passagiere stiegen aus. Der Großteil von ihnen starrte dabei auf das Handy. Ein eisiger Wind drang herein. Ich fröstelte.
„Entschuldigung, ist hier noch frei?“ Ich sah auf. Eine junge Frau stand vor mir und deutete erst auf den Platz neben mir und danach auf den, neben dem Herren. An der Hand hielt sie ein kleines Mädchen. Es konnte gerade mal im Alter von fünf oder sechs Jahren sein. Ihre roten Locken lagen ihr federleicht auf den Schultern und sie war von Kopf bis Fuß in warme Klamotten eingemummelt. Doch es war nicht etwa ihr feurig, rotes Haar, das so erstaunlich an ihr war. Das, was beinahe die Aufmerksamkeit des gesamten Busses auf sich zog, war das unnatürlich helle Strahlen, das von ihr ausging.
Der Alte sah von seiner Zeitung auf und nickte, ohne etwas zu sagen. „Ja, natürlich“, sagte ich und befreite den Fußraum von meinem Rucksack. Der Mann tat es mir gleich. Die Frau setzte sich neben mich. Das Mädchen setzte sich mir gegenüber und beäugte mich ebenso neugierig, wie ich sie. Ihre Haut strahlte mit ihren blauen Augen um die Wette, die sich neugierig bewegten. In der Hand hielt sie eine violette Blume. Das Mädchen folgte meinem Blick und sagte: „Das ist ein Krokus“ „Ja, ich weiß“, sagte ich freundlich. „Willst du mal riechen?“ Ich nickte. Sie beugte sich nach vorn und hielt mir die Blume vor die Nase. Tief atmete ich den Duft des Frühlings ein. „Riecht gut oder?“ Ich nickte wieder. „Wie heißt du?“, fragte sie weiter.
Ich wollte gerade zu einer Antwort ansetzen, da viel mir die Frau zu meiner linken ins Wort. „Nun lass das arme Mädchen mal in Ruhe“ Sie warf mir einen entschuldigenden Blick zu. „Nein, nein, schon in Ordnung“, hielt ich dagegen. Denn die Kleine faszinierte mich. Noch nie hatte ich einen Menschen so hell stahlen sehen. „Ich bin Lucy“, beantwortete ich die Frage. „Das ist ein schöner Name“ Das Mädchen grinst. „Ich heiße Hope. Weißt du, was es bedeutet?“ Ich musste lächeln. Ja das wusste ich. Und der Name war eine verdammt gute Wahl für dieses Kind. „Hoffnung“, sagte ich. Hope lächelte noch breiter als ohnehin schon und versuchte aus dem beschlagenen Fenster zu sehen.
Als sie bemerkte, wie verschwommen die Welt durch das Glas wirkte, runzelte sie die Stirn. Doch anstatt, wie alle Anderen, einfach woanders hinzusehen, wischte Hope kurzerhand mit dem Ärmel ihrer Jacke über die Scheibe und sah nach draußen. Ich schmunzelte. Da brauchte es erst ein kleines Kind, um zu verstehen, dass es nicht nur eine Möglichkeit gibt. Hopes Möglichkeit war die ganze Zeit über da gewesen. Ich hatte sie nur nicht gesehen. Jetzt fing auch ich an, mir meinen Blick nach draußen zu bahnen. Ich hatte langweilige Straßen, trostlose Töne erwartet. So, wie das in einer renovierungsbedürftigen Großstadt nunmal der Fall war. Doch ich wurde eines Besseren belehrt. Draußen, am Wegesrand trotzte ein Büschel Krokusse den starken Windböen. Sie sahen exakt so aus, wie die eine Blume, die Hope in Händen hielt. „Warum siehst du so traurig aus?“ Ich hatte nicht bemerkt, dass Hope mich wieder beobachtet hatte. Nun fühlte ich mich irgendwie ertappt. „Ich…“, fing ich an und lachte. Doch es war kein echtes Lachen. Es klang künstlich und es fühlte sich falsch an. „Wie kommst du darauf?“ „Deine Haut, sie ist so… Sie leuchtet so wenig“ Ich sah an mir hinab. Sie hatte Recht. Das Leuchten hatte viel zu stark nachgelassen. „Ich… Vermutlich ist das nur eine Phase. Das Wetter, verstehst du?“, sagte ich.
Und ich hoffte wirklich, dass es so war. „Weißt du, Mama sagt immer, man kann das Glas halb voll oder halb leer sehen“, Hope grinste, „Ich hab keine Ahnung, was das heißt, aber das sagt sie immer, wenn ich einfach Alles schrecklich finde“ Ich sah zu Hopes Mutter. Sie wirkte nicht wirklich, wie eine geborene Optimistin. Den Blick auf das Handy gerichtet, checkte sie gestresst eine Mail nach der anderen. Und ihre Haut leuchtete im Vergleich zu der ihres Kindes ziemlich schwach. „Nein, das ist doch nicht meine Mama. Mama ist zu beschäftigt und hat nicht viel Zeit für mich. Deshalb bringt sie mich tagsüber zur Tagesmutter. Das versetze mir einen Stich ins Herz. Wie konnte man ein so zauberhaftes Mädchen tagsüber einfach an die Seite schieben? Natürlich war mir der Grund für das Verhalten der Mutter durchaus bekannt. Die Inflation war an keinem spurlos vorbeigegangen. Aber den ganzen Tag…? Hope war doch fast schon im Grundschulalter. „Und was…“ begann ich nachdenklich, „Wenn das Glas kurz davor ist, vor Druck zu platzen?“ Ich hatte das einfach nur so da hin gesagt, ohne die Erwartung, das Hope etwas dazu sagte. Vielmehr hatte ich zu mir selbst gesprochen. Doch Hope antwortete trotzdem. Erst verblasste ihre schimmernde Haut kaum merklich. Doch dann hellte sich ihr Gesicht zusammen mit ihrem Funken wieder auf.
„Scherben bringen doch Glück. Und außerdem kannst du es ja auch umfüllen. Keiner hat nur ein einziges Glas im Schrank oder?“ Das kleine Mädchen schien gar nicht bemerkt zu haben, was sie soeben für eine Interpretation von sich gegeben hatte. Summend sah sie wieder hinaus und malte hin und wieder Herzen an die Scheibe. Ich konnte nicht anders, als dieses kleine Mädchen zu bewundern. Sie war noch so klein, sah ihre Mutter, meiner Meinung nach viel zu selten und lief trotzdem durch die Welt, als wäre sie die Sonne höchstpersönlich. Und ein anderer Gedanke schlich sich in meinen Kopf.
Wie war es wohl, in so einer Welt aufwachsen zu müssen?
Ich war ja zumindest älter gewesen, als diese ganzen Probleme so präsent geworden waren. Hatte das eigentlich daran gelegen, dass ich zu jung gewesen war, um es mitzubekommen? Oder hatte die Welt sich erst seit ein paar Jahren so stark ins Schlechte verändert? So oder so stand eines für mich fest.
Wenn ein kleines Mädchen so viel Hoffnung in sich tragen konnte, wie ein ganzes Land zusammen, dann konnte ich das vielleicht auch.
Die Tagesmutter von Hope drückte den Halteknopf und stand auf. „Komm Hope, die nächste Station ist unsere“ Hope sah vom Fenster auf. „Jetzt kannst du nicht mehr sagen, dass es am Wetter liegt“, sagte sie zu mir. „Wieso?“ „Na weil es angefangen hat zu schneien!“ Ich sah aus dem Fenster. Und sie hatte Recht. Feine Flocken wirbelten federleicht durch die Luft, als wären sie von allen Sorgen auf dieser Welt freigesprochen. Hope tippte mich an. „Bist du jetzt wieder glücklich?“, fragte sie. Und da musste ich zum ersten Mal seit langer Zeit richtig Lächeln. Es war ein echtes Lächeln, dass von Herzen kam. „Ja. Sehr.“, sagte ich. „Gut“, Hope betrachtete wieder den Krokus, „Die kommen nur im Frühling oder?“, fragte sie. „Genau, sie sind fast die einzigen Blumen, die bei der Eiseskälte überleben können. Sie trotzen jedem Sturm, weißt du?“ „Ich schenk sie dir“, sagte sie nach kurzer Überlegung. Beinahe ehrfürchtig nahm ich die so kleine und doch so bedeutsame Blume entgegen. „Oh. Vielen Dank, das ist sehr lieb von dir“ „Hope! Wir müssen los!“ Hope grinste mich noch einmal an und folgte dann der Frau nach draußen. Ich sah ihr durch das Glas hindurch nach. Selbst aus der Ferne leuchtete das kleine Mädchen heller als alles andere in ihrer Umgebung. Nachdenklich drehte ich den Krokus in meiner Hand. Hope konnte gar nicht wissen, was für ein Geschenk sie besaß. Ein Geschenk, dessen Wichtigkeit ich zuvor nie große Beachtung geschenkt hatte. Und einen kleinen Teil davon, hatte sie mir abgegeben. Wenn gleich auch nur durch eine Blume.
An diesem Tag hatte ich allmählich kapiert, wie unheimlich wichtig diese kleinen Hoffnungsschimmer auf zwei Beinen für uns alle waren. Sie waren das Beste, was uns passieren konnte. Und auch, wenn sie sich dessen nicht einmal bewusst waren, für unsere Zukunft beinahe überlebenswichtig.
Als ich wieder zum Fenster blickte, war Hope verschwunden.
Und hätte sie doch noch dort gestanden, hätte ich sie kaum erkennen können, weil etwas sehr Helles im Bus von Innen auf dem Glas reflektierte.
Klarer den je sah ich mein eigenes Spiegelbild und es leuchtete bis nach draußen in die Kälte. Der Schneefall verdichtete sich, der Wind draußen tobte. Aber mir war auf einmal ganz warm. Denn nun wusste ich, was man mit zu vielen Sorgen auf einmal machen musste. Man füllte sie ganz einfach um. Denn Hope hatte Recht, wenn sie sagte: Keiner hat nur ein einziges Glas im Schrank. Die Sichtweise eines kleinen Kindes hatte soeben mein Leben verändert.