
Was heißt eigentlich „falsch“? Warum wir über Moral sprechen, bevor wir handeln
Dieses Jahr bin ich nach Spanien geflogen. Ich wusste, wie klimaschädlich das ist. Ich hab’s trotzdem gemacht.
War das falsch?
Viele würden sagen: „Ja.“ Und Ich auch.
Aber was heißt eigentlich „falsch“ wenn wir über sowas reden?
Ist das einfach ein Gefühl? Eine Meinung? Ein Wert? Oder gibt’s da mehr?
Was meinen wir überhaupt, wenn wir moralisch urteilen?
Metaethik wirkt erstmal theoretisch aber sie hat viel mehr mit Umweltschutz zu tun, als man denkt. Deshalb will ich in diesem Artikel die Grundlagen der Metaethik durchgehen. Schritt für Schritt, einfach erklärt und mit Blick auf das, was uns alle betrifft: unser eigenes Handeln in der Klimakrise.
Jetzt kümmern wir uns also erstmal um die Metaethik. Wir gehen einen Schritt zurück und schauen uns das Fundament an: Was meinen wir eigentlich, wenn wir sagen, etwas ist „gut“, „schlecht“ oder „falsch“?
Das kann erstmal abstrakt wirken oder vielleicht sogar verwirrend. Aber ich versuche, es so einfach wie möglich zu erklären. Und selbst wenn’s zwischendurch ein bisschen kompliziert wird, lohnt es sich. Denn wer das Grundgerüst verstanden hat, kann danach viel klarer über Moral und Verantwortung sprechen.
Wenn dir das aber zu theoretisch wird, kein Problem: Dann lade ich dich ein im übernächsten Artikel mit mir in die normative Ethik einzusteigen (das ist der Bereich, wo es darum geht, wie wir handeln sollen – z. B. ob Fliegen okay ist, ob man Tiere essen darf, oder ob wir eine Pflicht zum Klimaschutz haben).
Metaethik heißt: Eine Stufe zurückgehen
Metaethik wirkt auf den ersten Blick etwas abgehoben als wäre es nur was für Leute, die gern endlos über Wörter nachdenken. Aber in Wirklichkeit geht es genau um die Fragen, die wir uns im Alltag ständig stellen oder stellen sollten, bevor wir andere kritisieren, etwas gutheißen oder verurteilen. Sie nimmt unsere moralischen Aussagen auseinander und das nicht um uns schlechtzumachen, sondern um zu verstehen, was wir da eigentlich sagen.
Beispiel:
Wenn ich sage „Es ist falsch, den Regenwald zu zerstören“ was meine ich dann genau? Ist das eine objektive Wahrheit, wie „Wasser kocht bei 100 Grad“? Oder ist das eher subjektiv wie „Ich mag keine Ananas auf Pizza“ also Geschmackssache?
Metaethik hilft solche Fragen zu klären. Sie bewertet nicht, ob etwas moralisch richtig oder falsch ist, und sie gibt auch keine Regeln vor, wie wir handeln sollen. Stattdessen fragt sie: Wie reden wir über Moral? Was steckt sprachlich, gedanklich und logisch in solchen Urteilen drin?
Beispiel:
Du sagst zu jemandem: „Fliegen ist moralisch falsch.“
Und die andere Person antwortet: „Hör auf, mir dein Weltbild aufzuzwingen.“
Aber vielleicht meinst du mit „falsch“: Das schadet dem Klima, und wir alle tragen Verantwortung.
Die andere Person hört aber: Ich bin ein schlechter Mensch, weil ich Urlaub mache.
Ihr benutzt das gleiche Wort – „falsch“ – aber ihr versteht komplett unterschiedliche Dinge. Metaethik hilft uns genau dabei: zu verstehen, was hinter solchen Aussagen steckt und warum wir dabei oft aneinander vorbeireden.
Und deswegen ist gerade in Umweltdebatten das hilfreich. Denn viele Konflikte entstehen nicht, weil wir unterschiedliche Werte haben, sondern weil wir gar nicht genau wissen, worüber wir da eigentlich sprechen. Also zusammengefasst:
Was Metaethik nicht ist:
- Sie sagt dir nicht, ob du fliegen darfst oder sollst.
- Sie sagt dir nicht, was in Umweltfragen moralisch richtig oder falsch ist.
-
Sie ist nicht angewandte Ethik – also nicht der Teil der Ethik, der sich mit konkreten Problemen beschäftigt wie:
→ „Sollten wir Fleisch essen?“
→ „Wie viel Plastik ist vertretbar?“
→ „Darf man Tiere für Medikamente nutzen?“
- Sie ist auch nicht normative Ethik – das ist der Bereich, der fragt: „Was soll ich tun?“
Was Metaethik ist, die vier großen Fragen:
-
Was bedeuten moralische Begriffe?
Wenn ich sage „gut“ – was genau meine ich damit?
-
Gibt es moralische Tatsachen?
Gibt es in der Welt sowas wie das „Gute“ oder das „Böse“?
-
Wie wissen wir, was moralisch richtig ist?
Durch Gefühl? Verstand? Intuition (bspw. Schule)?
- Was bringt Menschen eigentlich dazu, moralisch zu handeln?
Warum handeln wir eigentlich so oft gegen unser besseres Wissen?
Stellen wir uns jemanden vor, der beruflich viel fliegt. Er hält international Vorträge vor Tausenden von Menschen. Gleichzeitig hat er zwei Kinder, die er regelmäßig sehen möchte. Seine Zeit ist knapp, Zugverbindungen sind lang und teuer, also nimmt er das Flugzeug. Nicht, weil ihm das Klima egal ist, sondern weil in seinem Alltag oft keine andere Lösung greifbar erscheint.
Metaethik hat für dieses Dilemma einen Begriff: moralische Motivation.
Die zentrale Frage lautet: Reicht es, wenn jemand weiß, was moralisch richtig ist oder braucht es mehr, damit daraus auch konkretes Handeln wird?
Hierfür gibt es zwei Denkrichtungen: Internalismus und Externalismus.
Der Internalismus sagt: Wenn jemand wirklich davon überzeugt ist, dass etwas moralisch richtig ist, dann wird er auch entsprechend handeln.
Im Beispiel des Vielfliegers würde der Internalist also sagen: Vielleicht glaubt er tief in sich gar nicht wirklich, dass Fliegen falsch ist sonst würde er es nicht tun. Für Internalisten gehört moralische Einsicht und Motivation untrennbar zusammen.
Der Externalismus sieht das anders. Er sagt: Ein Mensch kann sehr wohl wissen, was richtig wäre – und trotzdem anders handeln.
Im Fall des Vortragenden: Er weiß, dass Fliegen das Klima belastet, und er findet das moralisch bedenklich. Aber die Realitäten überwiegen Zeitdruck, Familie, begrenzte Alternativen in dem Moment. Für Externalisten ist das kein Widerspruch, sondern ein realistischer Blick auf menschliches Verhalten.
Warum ist das überhaupt wichtig zu wissen?
Weil viele Menschen ohne es zu merken einer dieser beiden Richtungen anhängen.
Und genau das merkt man oft in Diskussionen: Die einen sagen empört: „Fliegen ist falsch wie kannst du das mit dir vereinbaren?“ Sie gehen davon aus, dass moralisches Wissen automatisch zum Handeln führen müsste. Das ist typisch internalistisch gedacht.
Andere sagen: „Ich weiß, dass es schlecht ist, aber in meinem Leben passt es gerade nicht anders.“ Das ist die Haltung eines Externalisten. Sie sehen moralisches Wissen und Handlung als zwei getrennte Dinge abhängig von den Umständen.
Wenn wir das nicht voneinander unterscheiden, reden wir oft komplett aneinander vorbei.
Vielleicht streiten wir sogar obwohl wir eigentlich dasselbe Problem sehen, nur mit einem anderen Blick darauf. Deshalb ist es so wichtig, vorher zu klären: Wie denkt mein Gegenüber überhaupt über moralisches Handeln? Glaubt er, dass Aufklärung reicht oder, dass wir zuerst die Rahmenbedingungen ändern müssen?
Denn je nachdem, wie jemand denkt, sind auch die Lösungen ganz andere: Ein Internalist sagt vielleicht: „Wenn wir nur genug informieren, machen die Leute das Richtige.“ Ein Externalist würde eher das sagen: „Wir müssen Fliegen unattraktiver im Vergleich zu anderen Transportmitteln machen sonst passiert nichts.“
Beide Perspektiven haben gute Gründe. Aber wenn wir nicht verstehen, was meinem Gegenüber wirklich bewegt, dann bleibt auch unser bestes Argument schnell auf der Strecke.
Im nächsten Artikel…
…frag ich mich: Gibt es das Gute überhaupt oder bilden wir uns das nur ein?
Ich geh den philosophischen Theorien nach, die sagen: Moral ist entweder real, konstruiert oder alles nur ein riesige Lüge. Und bis dahin passt auf euch auf :)
Bild von Mohamed Hassan auf Pixabay