Ein Atlas mit mutigen Zukunftsszenarien und die Frage, wie weit Naturschutz gehen darf (Türchen 14)

Published on December 14, 2024

    In unserem Kalender wimmelt es dieses Jahr nur so von Buchtipps. Aber mehr Bücher rund und Naturschutz, Klimawandel, Umweltprobleme zeigen ja auch, dass sich in unserer Gesellschaft bereits etwas gewandelt hat!

    Wer ahnt es? Auch hinter diesem Türchen versteckt sich - nein, nicht einer - sondern gleich zwei Buchtipps!

    1. Der Klimaatlas von Luisa Neubauer, Christian Endt und Ole Häntzschel

    2. Schatten des Dschungels von Katja Brandis und Hans-Peter Ziemek

    Das Bild zeigt die Cover der beiden Bücher.Der Klima-Atlas von Luisa Neubauer, Christian Endt und Ole Häntzschel

    Gleich der erste Buchtipp ist allerdings kein klassischer Buchtipp. Es geht nämlich nicht um einen Roman, sondern um einen Atlas. Der Klima-Atlas von Luisa Neubauer, Christian Endt und Ole Häntzschel, der dieses Jahr im Rowohlt Verlag erschienen ist, passt perfekt in unseren Kalender, denn - Achtung - er enthält laut Klappentext "Verblüffende Fakten, ungewöhnliche Grafiken, mutige Zukunftsszenarien". 

    Wie es sich für einen Atlas gehört, besteht der Atlas neben einem Vorwort aus Karten, 80 Karten genau genommen. Wobei man hier nicht an den klassischen Atlas mit topographischer, physischer und Wirtschafts-Karte denken darf. In einem klassischen Atlas wird der Ist-Zustand dargestellt. Das möchten die 3 Autor:innen in ihrem Atlas anders machen. Der Klima-Atlas soll ein "Atlas des Wandels" sein. In 8 Kapiteln über die Lage, den geografischen, ökologischen, gesundheitlichen, gesellschaftlichen, politischen, wirtschaftlichen und technologischen Wandel werden verschiedene, teils wenig bekannte Fakten zum Klimawandel graphisch dargestellt.

    Oft gehören dabei zwei Seiten zusammen. Beispielsweise gibt es eine Seite "Die kranke Stadt", die zeigt wie die Klimakrise sich negativ auf das Leben in der Stadt auswirkt. Man erfährt unter anderem, dass mehr Hitze zu mehr Klimaanlagen und mehr Klimaanlagen zu mehr Stromverbrauch und wiederum zu mehr Hitze führen. Direkt danach folgt "Die schöne neue Stadt". Hier lernen wir, dass die meisten Klimaschutzmaßnahmen auch ohne Klimawandel sinnvoll wären. Zum Beispiel führt Verkehrsberuhigung um Schulen zu sichereren Schulwegen und Kinder, die zur Schule laufen, können sich in den ersten 4 Stunden besser konzentrieren. Zwei andere Karten stellen "Klimazerstörung auf jeder Ebene" und "Aktivismus auf jeder Ebene" gegenüber. 

    Das Bild zeigt eine Landkarte.
    Wird man im Klima-Atlas nicht finden: Klassische Karten wie im Erdjunde-Unterricht. Dafür aber jede Mene Wandel und Zukunftsmut. Bild von pixabay.com

     

    Ein Ziel der Autor:innen ist es mit dem Klima-Atlas eine neue Sprache zu finden, um den abstrakten Klimawandel verständlich zu machen. Im 1. Kapitel zur Lage gibt es beispielsweise die sehr zur aktuellen Jahreszeit passende Karte "Wann kommst du geschneit?". Sie zeigt uns in verschiedenfarbigen Balken, die Jahre 1950 bis 2023 - und mit der Farbe ob am 24.12. dieses Jahres Schnee in München lag (weiß), am 25./26.12. geschneit kam (rosa )oder eben weder noch (rot). Klar zu sehen: Weiß und rosa nehmen ab. Die letzten 20 Jahre waren bis auf wenige Ausnahmen rot. 

    Zwar sind laut Vorwort viele Karten wortwörtlich toternst - z.B.  die Karten "Wo die Erde unbewohnbar wird" und "Tödliche Zukunft", die zeigt in welchen Weltregionen wie viele klimabedingte Todesfälle pro 100.000 Einwohner und Jahr hinzukkommen werden, während es anderswo sogar umgekehrt ist. Aber viele Karten sollen auch mit einem Augenzwinkern verstanden werden oder sogar zum Lachen bringen. Eine Karte ordnet Super:heldinnen auf zwei Achsen mit den Skalen superfossil bis klimaneutral undObermacho bis feminitisch ein. Fazit: Batman schneidet bei beidem schlecht ab, Bibi Blocksberg und Pippi Langstrumpf bei beidem gut. 

    Auch viele Mythen oder Ausreden gegen Klimaschutz werden - teils sehr lustig - behandelt. Beispiel: Die Karte "Dann ziehen wir eben auf den Mars", die dieses "Argument" ernst nimmt und für Bereiche wie Luft, Temperatur, Gift, Wasser oder Ackerbau durchspielt. Fazit: "In 100.000  Jahren haben wir die Erde soweit ruiniert, dass es sich auf em Mars tatsächlich angenehmer lebt." Die Karte "Falsch verdächtigt" stellt den nicht messbaren Effekt von Windrädern auf Vogelpopulationen dem messbaren negativen Effekt von öl- und Gasförderung auf örtliche Vogelpopulationen gegenüber.

    Einen ganz wichtigen Platz nehmen auch die vielen positiven Karten ein, die sich mit Klima-Aktivismus beschäftigen (z. B. ein Periodensystem des Widerstands) oder mit bereits stattfindendem Wandel (wie der in 20 Jahren 300 mal schnneller gewordene Solar-Ausbau).
    Der Klima-Atlas ist somit auf jeden Fall ein Buch, das jede Menge Potenzial für Zukunftsmut hat und man kann es immer wieder aufschlagen und neue Details entdecken.

     

    2. Schatten des Dschungels von Katja Brandis und Hans-Peter Ziemek

    Ein Haupthandlungsplatz des Romans: Der tropische Regenwald in Guyana. Bild von unsplash.com

     

    Das zweite Buch nimmt uns mit in die Zukunft: In das Jahr 2025. Zukunft? Das sind doch nur noch 18 Tage , nicht besonders viel Vorlaufzeit für einen Zukunftsroman. Na ja, aus heutiger Sicht stimmt das. Das Buch ist aber schon 2012 bei BELTZ & Gelberg erschienen. Aus damaliger Sicht lag 2025 also noch ein gutes Stück in der Zukunft.

    Bei mir ist es deshalb auch schon eine ganze Weile her, dass ich das Buch zum ersten Mal gelesen hatte. An Vieles aus dem Buch muss ich trotzdem immer wieder denken und es lohnt sich auch es mit einigem zeitlichem Abstand und in einer anderen Lebensphase noch einmal zu lesen. Hauptfigur des Buchs ist Cat, die Ich-Erzählerin. Sie ist 17 Jahre alt, Schülerin in München, sehr naturverbunden und fühlt sich mit ihrer Naturverbundenheit und ihrem Umweltaktivismus in Schule und Familie oft eher allein. In der Realität wäre Cat vielleicht der WWF Jugend beigetreten, um sich zu engagieren und Gleichgesinnte zu treffen. Im Buch ist sie mit anderen Menschen aktiv bei der Organisation "Living Earth". 

    Auf einer Demo zum Schutz des Regenwalds lernt sie den etwas älteren Falk kennen, in den sie sich verliebt. Auch Falk ist im Umweltschutz aktiv, nur dass sein Aktivismus Cat immer sehr viel bedingungsloser und mutiger vorkommt als ihr eigener. Falk hat zum Beispiel kein Problem Menschen in der Bahn auf ihren Alltags-Rassismus aufmerksam zu machen. Mit seinem besten Freund Pancake war er auch schon bei größeren Einsätzen von Living Earth auf Expedition. Dagegen kommen Cat ihre eigenen Flyer-Aktionen unwichtig vor. Doch dann bietet sich ihr die Chance gemeinsam mit Falk, Pancake und einigen Wissenschaftler:innen selbst in den Regenwald zu reisen, nach Guyana in Südamerika. Gemeinsam sind sie für das Artenschutzprojekt "Last Hope" unterwegs. Doch die anderen Teilnehmer:innen der Expedition wissen etwas, das Cat nicht weiß: Den wahren Grund für die Expedition. Als sie dahinter kommt, um was es in Guyana wirklich gehen soll, steht Cat vor der schweren Entscheidung, ob sie diesen Plan mittragen kann und möchte oder ob er nicht mi ihrem Gewissen vereinbar ist.

    Das Bild zeigt einen Laubfrosch auf einem Schilfhalm, der von einer Hand gehalten wird.
    Was Amphibien (hier ein Europäischer Laubfrosch) mit dem Buch zu tun haben, kann an dieser Stelle aus Spoiler-Gründen leider nicht verraten werden. Bild: eigene Aufnahme

     

    Mehr kann an dieser Stelle nicht verraten werden, um nicht zu spoilern. Nur so viel: Es geht um die Frage, wie weit man gehen darf, um Natur zu schützen? Welche Aktionen sind okay und welche zu radikal? Wer profitiert davon? Und wer ist am Ende wirklich mutiger: Cat oder Falk?
    Heimlicher Star des Romans ist ohnehin der Regenwald, über den man ganz nebenbei mehr erfährt. Am Ende des Buchs gibt es ein Glossar zu wichtigen Begriffen. Auch an Aktualität hat das Buch (leider) seit 2012 nicht verloren. Im Nachwort wird darauf hingewiesen, dass 2010 global 13 Millionen Hektar Regenwald abgeholzt wurden. Auch heute verlieren wir leider jedes Jahr noch viel zu viel Fläche an Regenwald. Von daher ist es gut vorstellbar, dass Cat, Falk und Co. 2025 noch für den Schutz der Regenwälder einsetzen. Insegsamt ist das Buch gut gealtert, an einigen Stellen wurde es sogar von der Realität eingeholt. An anderen Stellen muss man aus heutiger Sicht über Dinge schmunzeln, die im Roman für die Menschen in München 2025 Alltag geworden sind, in der Form im echten Leben nächstes Jahr aber wohl nicht sooo eine große Rolle spielen werden. Aber wer weiß, vielleicht werden wir ja auch überrascht?

    Jetzt die schlechte Nachricht: Ich bin mir aktuell nicht sicher, ob man das Buch aktuell noch kaufen kann (vielleicht weiß da jemand mehr)? Vielleicht wird es ja auch noch mal neu aufgelegt wie Vulkanjäger (ebenfalls von Katja Brandis)? Auf jeden Fall scheint man es gebraucht (ohenhin nachhaltiger) zu bekommen und vielleicht hat es ja die Bücherei eures Vetrauens im Angebot?  


    Die Autorin Johanna

    Eine Story von Johanna

    Johannna schreibt ehrenamtlich für die WWF Jugend Community. Sie ist im Redaktions- und Aktionsteam.
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