
Archäologie im Parco Naturalistico e Archeologico di Vulci
Als Archäolog*in reist man oft an verschiedenste Orte um dort diverse Ausgrabungen und Arbeiten durchzuführen. Dabei wird nicht immer so viel Wert auf die Umwelt gelegt – jedenfalls wurde mir genau das gesagt, als ich mit meinem Studium der Klassischen Archäologie begonnen habe. Wie das in der Praxis aussieht, schaue ich mir dieses Jahr bei der Ausgrabung in Vulci genauer an.
Ich habe in der Vergangenheit an mehreren Material- und Archivkampagnen teilgenommen und bin dieses Jahr zum ersten Mal auf einer Ausgrabung im Feld. Ich habe mir im Vorfeld Gedanken gemacht, wie es wohl wird - auch weil eine Dozentin vorher gesagt hatte, die Archäologie sei so schlecht für die Umwelt. Im Blick hatte sie dabei etwa die vielen Autofahren in Ländern mit wenig ausgebauter Infrastruktur oder das Fliegen in fremde Länder. Allerdings gibt es auf einer archäologischen Ausgrabung sehr viel mehr Arten- und Naturschutzaspekte als ich angenommen hatte.
Die Basics unserer Ausgrabung
Wir sind dieses Jahr mit einem 27 Köpfe starken Team fünf Wochen in Vulci (Italien) auf Ausgrabung. Das Projekt heißt „Vulci Cityscape“ (Instagram: @vulci.cityscape) und wird von Paul P. Pasieka (JGU Mainz) und Mariachiara Franceschini (Uni Freiburg) geleitet. Es wurde 2019 ins Leben gerufen, 2020 gab es dann geophysikalische Prospektionen und seit 2021 wird aktiv ausgegraben. Es ist ein Projekt der JGU Mainz und der Uni Freiburg. Im Projekt geht es darum, die Ausmaße der antiken Stadt, ihren Einfluss und ihre Entwicklung aufzudecken. Bei unserer Ausgrabung geht es speziell um Besiedlungsstrategien und städtische Strukturen im nördlichen Bereich der antiken Stadt sowie Verlauf, Gestaltung und Monumentalisierung des Straßennetzes. Die Fragestellung dahinter ist, wie sich die verschiedenen Orte im religiösen, politischen, sozialen und wirtschaftlichen Kontext zueinander verhalten haben. Das Projekt möchte ein umfassendes Bild der Stadtstruktur zeichnen, welches für weitere Stadtforschungen für die Region dienen kann.

Im Juli/ August ist es bei 40 Grad Hitze in Italien nicht immer sonderlich angenehm. Aber deswegen beginnen wir auch schon morgens um 6:30 auf der Grabungsfläche. Zunächst widmen wir uns dem alten Schnitt, also der Fläche, auf der letztes Jahr schon mit der Grabung begonnen wurde. Später wird daneben noch ein weiterer Schnitt ausgehoben – mithilfe eines Baggers. Dabei werden zunächst die Ausmaße abgesteckt und die oberste Erdschicht wird maschinell weggeschaufelt. Danach beginnen wir Studis mit der Schaufel und der Spitzhacke die Humusschicht abzuheben, um an die darunter liegenden Strukturen zu gelangen. Dann wird erstmal viel geputzt und freigelegt.
In unserem Falle stoßen wir dabei auf die Mauern eines etruskischen Tempels, den man in das späte 6./ frühe 5. Jahrhundert v. Chr. datieren kann, und dessen Podium sowie unter anderem eine Straße. Dabei finden wir Material vom 9. Jahrhundert v. Chr. bis zum 5. Jahrhundert n. Chr. Währenddessen werden vom alten Schnitt die Planen abgezogen, die dort letzten August ausgelegt wurden, um die Fläche vor Umwelteinflüssen und menschlichen sowie tierischen Aktivitäten zu schützen. Die Planen bestehen aus Geotextil und waren daher am Anfang sehr überwachsen. Doch nicht nur Pflanzen haben es sich gemütlich gemacht auf unserer Grabungsfläche.
Wen kann man auf der Grabungsfläche antreffen?
Wie auch in den vorherigen Jahren gab es auch dieses Jahr wieder Kröten-Besuch auf der Grabung. Dieses Exemplar haben wir ganz vorsichtig aus der Grube gehoben und es hat es sich dann unter einem Stein neben dem Schnitt bequem gemacht. Jedes Mal, wenn wir einen Wurm gefunden haben, haben wir ihn der kleinen Kröte ins Versteck gebracht und es gab Mittagessen für sie. Nach der Grabung wurde sie dann an den nahegelegenen See umgesiedelt.

Uns machen die Sonne und die Hitze oft sehr zu schaffen, doch ein paar anderen Tierchen geht es dafür besonders gut. Faul liegen auf den sonnigen Steinen zum Beispiel jede Menge Eidechsen. Sobald man sich nähert, flitzen sie schnell davon. Doch nicht nur große Eidechsen haben wir gefunden. Unter den Planen und der Erde sind oft die Eier der Geckos eingebuddelt und kommen zum Vorschein, wenn wir uns ans Putzen des Schnitts machen. Manchmal finden wir auch Schlangeneier, wobei wir nicht immer ganz sicher sind, wem die Eier gehören, da alle verschieden aussehen. Wenn die Eier einmal die Erde verlassen haben, ist nicht sicher, ob die Kleinen es noch schaffen werden, aus ihnen zu schlüpfen. Wir haben uns große Mühe gegeben, immer wenn wir auf Eier gestoßen sind, sie vorsichtig mit Handschuhen aufzusammeln und im Abraum (die großen Erdhaufen rund um den Schnitt) wieder einzugraben. Wir hoffen, dass die kleinen Echsen und Schlangen auch in einem anderen Erdhaufen überleben.

Hoffentlich schlüpfen die kleinen auch nach der Umsiedlung
2022 war das Team beispielsweise häufiger länger da und konnten regelmäßig ein Fuchs beobachten, der auf die Fläche kam und keine Scheu vor Menschen hatte. Gelegentlich hat er auch „ausgegraben“ und uns geholfen. Einmal fanden wir ein so großes Loch, dass wir dachten, wir hätten Besuch von Raubgräbern gehabt, aber nach dem Studium der Kamerabilder stellte sich heraus, dass es sich um unseren Fuchs gehandelt hat.

Was können die Probleme für die Natur bei einer Ausgrabung sein?
Das große Problem bei Ausgrabungen ist meist, dass sehr viel Auto gefahren wird. Bei dieser Kampagne sind die meisten Teilnehmer*innen mit zwei Kombi-Bussen angereist, während einige andere geflogen sind. Ausgrabungen der Klassischen Archäologie befinden sich meist im Mittelmeerraum (oft in Griechenland, Italien, der Türkei oder Spanien). Dabei sind die Ausgrabungsstätten meist außerhalb der modernen Orte. Dazu kommt, dass der öffentliche Nahverkehr oft nicht so weit ausgebaut ist und keine öffentlichen Verkehrsmittel wie beispielsweise Züge zu den archäologischen Parks fahren. Somit bleiben nur Autos. Diese sind auch wichtig, da viele teure technische Geräte jeden Tag hin- und hergefahren werden, die man nicht einfach auf der Ausgrabungsstätte hinterlassen kann.
Das Fliegen ist einfacher zu vermeiden. Zwar ist es leider oft teurer, aber man kann die meisten Strecken innerhalb von Europa auch mit dem Zug zurücklegen. Das einzige Problem dabei ist wieder die Aufbewahrung des Equipments. Große 3D-Scanner, Tachymeter und ähnliches passen nicht ins Handgepäck und sind zu wertvoll, um einfach in einem Zugabteil liegen zu können. Somit können zwar die Teilnehmenden gut mit dem Zug anreisen, doch für das Equipment muss eine andere Lösung gefunden werden.
Was wird schon getan?
Innerhalb Deutschlands gibt es schon viele Regeln für den Naturschutz auf Ausgrabung, was in vielen südlichen Ländern noch lange nicht der Fall ist. In Deutschland wird bei der Stadtarchäologie beispielsweise sehr auf die Brutzeiten der nistenden Vögel geachtet und es wird sich an das Verhalten der Umwelt angepasst.
Was besonders positiv an der Grabung in Vulci auffällt, ist, dass der Park von Vulci nicht nur ein archäologischer Park, sondern auch ein Naturschutzpark ist. Das bedeutet man muss mit den Tieren gemeinsam leben. Das gilt besonders für die Vacche Maremmane, eine Rinderart, die immer neben unserem Tempel weiden, wenn wir nicht da sind. Die Aufzucht erfolgt hier noch ganz traditionell und natürlich, also mit Hilfe der Butteri, der Cowboys der Maremma wie die bezaubernde Küstenlandschaft der Toskana genannt wird.

Die Vacche Maremmane und ein Butteri Cowboy
Wie wir von einem Bauer gelernt haben, werden die Vacche Maremmane komplett natürlich gezüchtet, was bedeutet, nicht nur ist das Essen rein natürlich, sondern auch Paarung und Geburt erfolgen ohne menschliche Intervention; außer natürlich es ist medizinisch notwendig.
Fazit
Abschließend lässt sich sagen, dass die Archäologie sich nicht überall so schlimm für die Umwelt ist, wie es mir oft erzählt wurde. Das Bewusstsein wächst auch in diesem Bereich: Mensch und Natur müssen ein Gleichgewicht finden und miteinander leben und Arbeiten – in Vulci funktioniert dies schon sehr gut! Natürlich gibt es noch einige Dinge, die man noch verbessern kann, aber ich denke wir sind auf einem guten Weg.
