Naturschutz: Wozu brauchen wir die EU?

Published on May 14, 2024

In wenigen Wochen wird das neue EU-Parlament gewählt. Oft wird man von Plakaten aufgefordert, für den Naturschutz zu stimmen. Aber was hat denn die EU-Politik eigentlich mit Naturschutz zu tun? Und wie wichtig sind die Entscheidungen auf europäische Ebene für die Politik in den Mitgliedsstaaten? Das und noch einiges mehr erfährst du in dieser Story.
 

Das Foto zeigt blaues Meer. Darin ist die Flosse eines Wals zu sehen.
Das erste internationale Übereinkommen im Natur- und Artenschutz beschäftigte sich mit dem Walfang. / © pixabay.com


Die wichtige Rolle der EU

Unglaublich – aber die EU ist verantwortlich für rund 80% der Regelungen im Umwelt- und Naturschutz. Diese Regelungen wirken nicht nur auf europäischer oder nationaler Ebene, sondern bis in die einzelnen Dörfer und Städte vor Ort. Damit schützt die EU auch unsere Lebensgrundlagen und bildet die Grundlage für aktiven Naturschutz vor Ort. Die EU ist der stärkste Hebel für den Natur- und Umweltschutz und trägt maßgeblich dazu bei, gemeinsame Standards für den Umwelt- und Naturschutz zu entwickeln. Die EU hat dabei die höchsten Umweltstandards der Welt und schützt unsere Lebensräume, die biologische Vielfalt, das Trinkwasser und Badeseen und die Luftqualität.

Der Beginn der internationalen und europäischen Zusammenarbeit im Naturschutz liegt ungefähr in den 1970er Jahren. Aus den Anfängen, wildlebende Tiere und Pflanzen international zu schützen, haben sich im Laufe der Zeit viele wichtige Vereinbarungen entwickelt. Diese beschäftigen sich z.B. mit dem Walfang, dem Schutz von Feuchtgebieten, dem internationalen Handel mit freilebenden und geschützten Tieren, der Müllentsorgung auf Hoher See oder der Artenvielfalt. An diesen Beispielen wird deutlich, dass Naturschutz eine Querschnittsaufgabe ist, die viele Bereiche berührt und in vielen Fällen länderübergreifend am wirkungsvollsten ist. Auch die Ausweisung von Schutzgebieten ist oft länderübergreifend. Hier hat die EU mit ihren gewachsenen Strukturen einen klaren Vorteil.
 

Das Foto zeigt die Nordsee. Im Vordergrund ist ein Zaun mit einem Schild "Nationalpark Kernzone". Der Himmel ist bewölkt, die Nordsee wirft Wellen.
Natura 2000: Die EU setzt sich für ein Netz aus Schutzgebieten ein / © lutz6078, pixabay.com


Was wurde bisher erreicht? – Natura 2000

Ein Beispiel für die Arbeit der EU im Naturschutz ist „Natura 2000“. Damit ist ein Netz aus Schutzgebieten gemeint mit dem Ziel, die biologische Vielfalt in der EU zu erhalten und wiederherzustellen. Über „Natura 2000“ werden Lebensräume und Gewässer für bedrohte Arten geschützt – insgesamt 18% der Landesfläche und 6% der Meeresfläche der EU sind davon erfasst. Damit ist das Natura 2000-Netz das größte Netzwerk an Schutzgebieten weltweit.

„Natura 2000“ gründet sich z.B. auf der Vogelschutzrichtlinie, der Flora-Fauna-Habitat-Richtlinie (FFH), der Europäischen Wasserrahmenrichtlinie (WRRL) und einigen mehr – Richtlinien, die in der EU erarbeitet wurden und teils durch nationale Regelungen konkretisiert und umgesetzt werden (z.B. mit dem Bundesnaturschutzgesetz, das unter anderem Nistplätze und Schlupflöcher für Vögel und Fledermäuse bei Sanierungen von Gebäuden berücksichtigt).

Um besser zu verstehen, was Natura 2000 ist und wie es umgesetzt wird, kannst du dir dieses Video anschauen (2:52 Min, automatisch erzeugte Untertitel vorhanden):

 


Die FFH-Richtlinie (Flora-Fauna-Habitat-Richtlinie) ist das erste umfassende Instrument zum Lebens- und Artenraumschutz in der EU.  Das Besondere ist, dass es um Biotopschutz im Verbund geht und auf eine ausgewogene Verteilung der Schutzgebiete geachtet wird. In den Anhängen sind Tier- und Pflanzenarten konkret aufgeführt, die besonderen Schutzstatus genießen.

Die EG-Vogelschutzrichtlinie beschreibt das Ziel, alle wildlebenden europäischen Vogelarten dauerhaft in ihrem Bestand zu erhalten. Sie wurde bereits 1979 verabschiedet und immer wieder angepasst und enthält z.B. Schutzmaßnahmen für Nist- und Überwinterungsgebiete, Rastplätze oder zum Schutz von Zugvögeln.
 

Das Foto zeigt zwei Schwalben auf einem Ast.
Mehr Schutz für Vögel verspricht die Vogelschutzrichtlinie der EU. / © sharkolot, pixabay.com


Weitere Maßnahmen und Gesetze der EU

Natura 2000 ist aber natürlich nicht alles, was die EU im Naturschutz in die Wege geleitet hat. Es gibt eine Vielzahl an weiteren Gesetzen und Maßnahmen, die die Natur und Artenvielfalt und unseren Umgang damit in den Fokus rücken. Hier eine Auswahl:

  • European Green Deal: Der Green Deal beinhaltet neben Klimaschutzzielen auch Ziele wie das Null-Schadstoffziel für Luft, Wasser und Boden, umweltfreundliche Industrie durch Kreislaufwirtschaft oder faire, gesunde und umweltfreundlich hergestellte Lebensmittel vom Hof auf den Tisch ohne Tierleid, weniger Pestizide und weniger Antibiotika und mehr Biolandwirtschaft. Außerdem sollen europäische Wälder, Böden, Feucht- und Torfgebiete wiederhergestellt werden, damit sie einen Beitrag zum Klimaschutz und Biodiversität leisten können.
  • Mehr Natur in Europa: Um das „Gesetz zur Wiederherstellung der Natur“ (Nature Restauration Law) wurde 2023 heftig gestritten. Es legt fest, dass bis 2030 mindestens 20% der Naturräume in der EU wiederhergestellt sein müssen. E sind ausdrücklich alle Naturräume gemeint, nicht nur Schutzgebiete. Also Flüsse, Moore, Wälder, landwirtschaftliche Flächen, aber auch Grünflächen in der Stadt. Sobald das Gesetz in Kraft tritt, müssen die Mitgliedsstaaten innerhalb von zwei Jahren einen Plan zur Umsetzung erarbeiten und konkrete Flächen und Maßnahmen nennen.
     
Das Foto zeigt ein Feuchtgebiet bei Sonnenuntergang.
Die Wiederherstellung von Wäldern und Feuchtgebieten haben gleich mehrere EU-Initiativen zum Ziel. / © herbert2512, pixabay.com
  • Umweltfreundliche Geräte: Elektro- und andere Geräte sollen möglichst wenig Ressourcen verbrauchen. Das legt die Ökodesign-Richtlinie der EU fest, die es bereits seit 2005 gibt. In den letzten Jahren wurde sie um neue Vorgaben und zusätzliche Produktgruppen erweitert. So legt die Richtlinie z.B. fest, dass große Geräte energie- und wassersparend und zudem gut reparierbar sein müssen. Ab 2025 werden auch Tablets und Mobiltelefone in die Ökodesign-Richtlinie einbezogen und auch elektrische Kleingeräte, Kleidung und Schuhe werden erfasst.
    Das erhöht den Druck auf die Hersteller, langlebige, umweltfreundliche und reparierbare Produkte auf den Markt zu bringen. Sie müssen z.B. Anleitungen und Ersatzteile bereithalten.
  • Europäische Wasserrahmenrichtlinie: Nach dieser Richtlinie müssen alle EU-Länder bis 2027 sicherstellen, dass ihre Gewässer in einem guten chemischen und ökologischen Zustand sind. Verschmutzungen, Giftstoffe, Rückstände müssen z.B. reduziert werden, was die Artenvielfalt und ein gesundes Ökosystem fördert. Damit geht die EU u.a. gegen Phosphate im Trinkwasser, verseuchte Meere und ölverschmutzte Strände vor – für sauberes Trinkwasser und intakte Ökosysteme.
  • Verbot von Einwegartikeln aus Kunststoff: Zehn Einweg-Artikel, die besonders häufig an Stränden zu finden sind, wurden verboten. Darunter Wattestäbchen, Luftballonstiele und Trinkhalme.
  • Umweltinformationsgesetz (UIG): Dieses Gesetz verbindet Umwelt- und Menschenrechte miteinander und stellt sicher, dass Bürger:innen Informationen über die Umwelt bei Behörden einholen können. Das UIG ermöglicht auch Naturschutzverbänden oder Bürgerinitiativen den Einblick in Behördenvorgänge – sie können z.B. erfahren, wo Streuobstwiesen durch Bebauung bedroht sind oder wie viele Pestizide eingesetzt werden und daraufhin aktiv werden.
  • Produktkennzeichen: In der EU gibt es Vorschriften für die Kennzeichnung von Produkten. Die Kennzeichnung soll die Gesundheit und Sicherheit der Bürger:innen schützen und bei der Kaufentscheidung helfen. Das EU-Umweltzeichen wird z.B. für umweltfreundliche Produkte vergeben, das EU-Energielabel gibt Auskunft über die Energieffizienz und das EU-Bio-Label kennzeichnet Produkte aus ökologischem Landbau.
Das Foto zeigt ein abgeerntetes Getreidefeld.
Auch im Bereich der Landwirtschaft gehen viele Regelungen auf die EU zurück. / © Siegella, pixabay.com


Und nicht zuletzt wirkt sich auch die gemeinsame europäische Agrarpolitik auf den Natur- und Umweltschutz aus. Auch wenn es immer wieder zu  Rückschlägen und harten Diskussionen kommt, werden z.B. landwirtschaftliche Betriebe zunehmend unterstützt, mehrjährige Blühbranchen anzulegen, in denen Rebhuhn, Insekten, Feldhasen und andere bedrohte Tier- und Pflanzenarten einen neuen Lebensraum finden.

Die erarbeiteten Vereinbarungen sind nicht immer ideal und oft bleibt Luft nach oben – doch sie bilden eine wichtige Grundlage, auf welcher Natur- und Artenschutz möglich wird und oftmals auch eine rechtliche Basis erhält.

 

 

Nutze deine Stimme – geh wählen!

Nun hast du erfahren, wie wichtig die EU für den Natur- und Artenschutz ist. Nutze also deine Stimme und geh am 9. Juni zur EU-Wahl! Falls du noch nicht wählen darfst, kann du als Multiplikator:in aktiv werden: Informiere dich über die Wahl und die Positionen der einzelnen Parteien, z.B. beim WWF-Parteienranking oder dem Klima-Wahlcheck des NABU. Sprich mit deinem Umfeld über die Wahl und wie wichtig sie für den Umwelt- und Klimaschutz ist, diskutiert in der Familie, der Schule, im Verein darüber  – und bringt möglichst viele Menschen dazu, wählen zu gehen.

Denn die Wahl entscheidet, wie es mit der EU weitergeht und welchen Weg wir bei Natur-, Klima- und Artenschutz einschlagen werden.

Nutzen wir die Stellung Europas für einen guten Natur- und Umweltschutz!

Das Foto zeigt zwei blaue Plakate: Eines mit der Aufschrift EU-Wahl 6.-9. Juni 2024, das andere mit der Aufschrift "Nutze deine Stimme". Sie hängen im Innenhof des EU-Parlaments.
Nutze deine Stimme – geh zur EU-Wahl am 9. Juni 2024! / © Stephanie S.


Lust auf weitere Infos? In dieser Story kannst du dich informieren, welche Rolle die EU für den Klimaschutz spielt.
 



Quellen:


 

Die Autorin Stephanie


Eine Story von: Stephanie

Stephanie schreibt ehrenamtlich für die WWF Jugend Community. Sie ist im Redaktions- und Aktionsteam. Auch du kannst hier mitmachen - melde dich gerne bei uns.