Waldaufgabe 4/6

Published on May 26, 2023

    Kraftvoll, verwunschen, mystisch - der Wald hat auf uns eine magische Anziehungskraft. Die überwiegende Zeit unserer Entwicklungsgeschichte lebten wir Menschen im und vom Wald. Doch inzwischen scheinen wir die Verbindung zur Natur zu verlieren. Wird der Wald uns fremd? Nicht, wenn wir uns wieder auf das Abenteuer einlassen, ihn neu zu entdecken.

     

    In diesen Wochen bekommst du bei uns viele Inspirationen und Anregungen, wie du wieder mehr Zeit im Wald verbringen kannst. Wir laden dich ein, diesen Frühling zu deinem Waldfrühling zu machen! 

     

    Wann warst du das letzte Mal im Wald? Oder besser: Um wie viel Uhr war das? Wir Menschen gehen meist in den Wald, wenn es in unseren Zeitplan passt: nach der Schule, der Uni, der Arbeit… Das sind aber meist nicht die Tageszeiten, zu denen die Waldbewohner am aktivsten sind. Viele sind nacht- oder dämmerungsaktiv, zum Beispiel der Waldkauz. Wenn wir im Wald also nicht nur auf Mitglieder unserer eigenen Art beim Spazieren oder Joggen treffen wollen, müssen wir uns auf den Tagesrhythmus der Waldbewohner einlassen.

    Vielleicht ahnst du es schon: Bei dieser Aufgabe geht es darum zu einer ungewöhnlichen Uhrzeit in den Wald zu gehen. Die vierte Aufgabe des Waldfrühlings lautet: Beat the first bird! Oder anders formuliert: Gehe zum Sonnenaufgang in den Wald!

    Die neue Waldaufgabe lautet: Geh zu Sonnenaufgang in den Wald.

    Klingt erst mal nicht nur für Langschläfer nach einer eher unangenehmen Aufgabe? Ich gebe zu, dass es erst mal kein besonders schönes Gefühl ist, wenn morgens um fünf der Wecker klingelt. Aber es lohnt sich!

    Damit du den Sonnenaufgang auch genießen kannst, solltest du vorher ein paar Vorbereitungen treffen:

    1. Wetterbericht beachten! Es sollte ein sonniger Tag mit möglichst wenig Wolken sein. Es wäre schade, wenn du dich früh aus dem Bett quälst, um dann nur bedeckten Himmel zu sehen. Schau am besten am Abend vorher noch mal auf eine Wettervorhersage für den Morgen.

    2. Sonnenaufgang -wann ist das eigentlich?  Das hängt nicht nur vom Datum ab, sondern auch davon, wo genau du wohnst. In Berlin ist die Sonne heute um 5:12 Uhr aufgegangen, in München erst um 5:36. Bei den meisten Wetterapps steht diese Uhrzeit für deinen Ort dabei. Ansonsten kannst du auch hier nachschauen. Und noch ein Tipp: Je weiter du diese Aufgabe nach hinten schiebst, desto früher wird es. In einer Woche geht die Sonne in Berlin schon 5:02 Uhr auf, in zwei dann schon um 4:53 Uhr. Aber vielleicht siehst du das gerade als Challenge, die mit einem tollen Sonnenaufgang belohnt wird?

    3. Ort überlegen: Es wird allerdings noch etwas früher. Die Aufgabe lautet nun mal „Beat the first bird“ und Vögel fangen schon deutlich vor Sonnenaufgang an zu singen. Beim Kartieren von Brutvögeln wird daher schon eine Stunde vorher angefangen. Mehr dazu später. Aber auch wenn du nicht den allerersten Vogel erwischen willst, solltest du dir überlegen, wo du zum Sonnenaufgang sein möchtest. Vielleicht wie immer in „deinem“ Waldstück oder lieber an einem höher gelegenen Ort mit guter Aussicht? Plane genug Zeit zum Hinlaufen ein. Eventuell kannst du auch ein Stück mit dem Fahrrad fahren, um Zeit zu sparen.

    4. Was nimmst du mit? Zieh dich auf jeden Fall warm an. Vor allem jetzt, wo es tagsüber meist schön warm ist, unterschätzt man leicht, wie frisch es so früh am Morgen noch ist. Wenn du magst, kannst du dir auch eine Thermoskanne Tee und ein kleines Sonnenaufgangspicknick einpacken. Pack deine Sachen am Abend vorher, damit du morgens nichts vergisst.

    5. Wer kommt mit? Wie immer kannst du diese Aufgabe allein erledigen. Du kannst aber auch einen Freund oder eine Freundin fragen, ob er oder sie mitkommt. Wenn du weißt, dass jemand draußen auf dich wartet, ist es schwieriger den Wecker zu ignorieren und einfach weiterzuschlafen. :)

    Für das frühe Aufstehen wirst du hoffentlich mit einem tollen Sonnenaufgang belohnt!

    Und wenn du es nun vom Bett in den Wald geschafft hast? Glückwunsch, dann hast du die größte Herausforderung geschafft. Ab jetzt heißt es einfach genießen, dass du da bist! Du kannst dir einen schönen Platz suchen, von dem aus du der Sonne beim Aufgehen und dem Wald beim Aufwachen zuschaust. Wenn du lieber in Bewegung bleiben möchtest, kannst du auch einfach einen kleinen Spaziergang machen. Dabei kannst du auf folgendes achten:

    Ab wann ist es hell? Wirklich erst ab Sonnenaufgang oder schon vorher?

    Was ist anders als bei einem Sonnenuntergang, den du vielleicht besser kennst?

    Wer ist schon wach oder wir es gerade?

    Welche Tiere kannst du sehen? Und noch wichtiger: Wie viele verschiedene Konzerte bekommst du zu hören?

    Um dir eine kleine Orientierung zu geben, wen du singen hören könntest, stelle ich dir hier 5 Sänger vor. Du kannst dir ihre Stimmen vor und nach deinem Besuch im Wald anhören und schauen, ob du einige wiedererkennst.

    Für Fortgeschrittene: Versuche eine oder mehrere Vogelstimmen zu lernen, so dass du sie immer wieder erkennst. Nimm dir am besten erst einmal eine Art vor, die du diesen Frühling lernen möchtest. Höre dir verschiedene Aufnahmen dieser Vogelart an. Auch Vögel sind Individuen und singen nicht alle gleich. Du kannst dir auch eine Art Vogelplaylist erstellen und ein kleines Ratespiel daraus machen. Wichtig ist auch das Hören mit dem Sehen zu verbinden. Wenn du eine Stimme hörst, die du nicht kennst oder bei der du dir unsicher bist, versuche ihr zu folgen, bis du den Vogel findest. Ganz wichtig sind Vergleiche: Woran erinnert dich dieser Gesang? Mit welchen Adjektiven verbindest du ihn? Wie würdest du ihn beschreiben? Gibt es verschiedene Strophen? Manchmal kann es sogar hilfreich sein, eine Vogelstimme zu zeichnen. Weitere Tipps findest du hier.

    1) Amsel

    Ein Gesang, den du bestimmt schon gehört hast und der sich gut eignet, um eine erste Vogelstimme zu lernen, ist der der Amsel. Sie beginnt ca. 45 Minuten vor Sonnenaufgang zu singen. Ich verbinde ihren Gesang mit dem Adjektiv „flötend“.  In meinem Bestimmungsbüchern wird er als „melodisch und weich im Ton, klare und laute Flötentöne in gemächlichem Tempo und mit großen Tonsprüngen“ beschrieben. Aber hör am besten selbst:

    2) Buchfink

    Ein Gesang, der für mich typisch für den Wald ist, obwohl der Vogel auch in Gärten und Parks brütet, ist der des Buchfinks. Er fängt erst ca. zehn Minuten vor Sonnenaufgang an zu singen. Die Strophen wiederholen sich immer wieder, so dass der Gesang sehr einprägsam ist, wenn man ihn erst mal kennt. Leicht wiederzuerkennen und auch im Wald oft zu hören ist der Ruf des Buchfinks. Für mich klingt es, als würde jemand sehr kurz in eine Trillerpfeife blasen. Beides Ruf und Gesang kannst du dir hier anhören:

    3) Grünfink

    Auch häufig zu hören ist der Grünfink. Die Triller in seinem Gesang würde ich am ehesten mit dem Wort „knatternd“ verbinden. Am leichtesten zu erkennen ist er aber an dem langen „unmusikalischen, vibrierenden, krächzendem dschrüüüüjuh“. Gar nicht so einfach in Worte zu fassen, aber wenn du es selbst einmal gehört hast, weißt du was ich meine.

    © J. Schmitz-Reinthal

    4) Rotkehlchen

    © J. Schmitz-Reinthal

    Leider kann ich nicht in Worte fassen, woher ich weiß, dass der Gesang des Rotkelchens der Gesang des Rotkehlchens ist. Ich habe keine spezielle Eselsbrücke, ich kenne ihn einfach. Gehört hast du ihn im Wald sicherlich auch schon. Mein Bestimmungsbuch sagt folgendes: „Gesang beginnt oft mit einigen hohen, gedehnten, feinen Tönen, fällt in der Höhe ab, beschleunigt sich mit schnellen Folgen zitternder und erregter heller Töne, wobei Tempo und Lautstärke variieren.“ Das trifft sicherlich alles zu, aber als Merkhilfe ist es zu lang. Am besten ist wohl so oft wie möglich hören und im Wald immer versuchen, das Rotkehlchen zu finden, um eine Bestätigung zu bekommen. Das klappt ganz gut, auch wenn die Bäume dann wieder Blätter haben, da Rotkehlchen oft nicht so weit oben singen, sondern oft aus Gebüschen oder Holzstapeln heraus. Der Ruf wird übrigens ist übrigens ein hartes, kurzes „Tick“, das bei Beunruhigung aneinander gehängt wird und ein bisschen so klingt, als würde jemand eine schwergängige Spieluhr aufziehen. Aber hör am besten wieder selbst.

     

    5) Ziplzalp

    Zum Schluss noch etwas Einfaches. Dass der Kuckuck seinen eigenen Namen ruft, hast du sicher schon gehört. Aber es gibt noch einen Vogel, der uns diesen Gefallen tut: der Zilpzalp. Das ist auch deshalb so praktisch, weil er sich so leicht von seinem Kollegen, dem Fitis, unterscheiden lässt. Beide Arten sehen sich nämlich sehr ähnlich. Sie fallen unter das ethologische Artkonzept. Das heißt, dass sie sich anhand ihres Verhaltens (in diesem Fall anhand des Gesangs) unterscheiden lassen.

    Natürlich gibt es noch viele weitere Vögel, deren Gesang du im Wald hören könntest. Wenn du etwas gehört hast, was hier nicht dabei war, wirf einen Blick auf die NABU-Vogeluhr. Sie gibt dir einen Überblick darüber, wer wann anfängt zu singen, und du kannst dir die verschiedenen Stimmen auch noch einmal anhören, wenn du die Vögel anklickst.

    Aber ganz wichtig: Bei dieser Aufgabe geht es nicht darum, zum Vogelexperten zu werden. Viel wichtiger ist, den Wald beim Aufwachen zu erleben, deine Eindrücke zu sammeln und die ganz besondere Sonnenaufgangsstimmung sowie das Gefühl, dass alle anderen noch schlafen und du schon in der Natur bist, zu genießen! Also, los geht’s: Beat the first bird!

     

    Dieser Bericht ist Teil des Waldfrühlings alls Infos dazu gibt es im Team Naturschützen.

    Hast du schon gelesen unser Interview mit einem Förster gelesen?

    Nächste Woche geht es hier um den Wald und unsere Kultur.

    Titelbild: Marcel Gluschak/  WWF [Das Bild zeigt eine singende Amsel.]


    Die Autorin Johanna

    Eine Story von Johanna

    Johannna schreibt ehrenamtlich für die WWF Jugend Community. Sie ist im Redaktions- und Aktionsteam. Auch du kannst hier mitmachen - komm in unser Team.