Der Great Green Wall – ein ehrgeiziges Projekt

Published on November 3, 2022

Es ist eines der ehrgeizigsten Klima-Projekte der Welt: Quer über den afrikanischen Kontinent, in der Sahelzone, wird ein rund 8.000 km langer und 15 km breiter Gürtel aus Bäumen gepflanzt. Der Great Green Wall soll die Ausbreitung der Wüste aufhalten und Millionen von Menschen der anliegenden Regionen Nahrung, Arbeitsplätze und eine Zukunft in ihrer Heimat sichern. – Ein Mammutprojekt, das 21 Länder umfasst.
Bis zum Jahr 2030 sollen rund 100 Hektar unfruchtbares Land der Sahelzone mit Bäumen und anderer Vegetation begrünt werden. Am Ende könnten durch die Wiederbelebung des Ökosystems bis zu 250 Millionen Tonnen Kohlenstoff gebunden werden und zehn Millionen Arbeitsplätze gesichert werden.

Die Sahelzone soll grüner werden / © rond, pixabay.com

 

Sahelzone

Die Sahelzone ist eine Region südlich der Sahara. Das Klima ist sehr trocken und sehr heiß.  Die Sahelzone ist noch nicht Wüste, muss aber vor Wüstenbildung geschützt werden, damit die Sahelzone bewohnbar bleibt.
Über 80% der Bevölkerung der Sahelzone lebt von der Landwirtschaft. – Können die Menschen den Boden nicht mehr bewirtschaften und sich nicht mehr ausreichend ernähren, sind Millionen Menschen zur Migration gezwungen.

Die Sahelzone in Afrika ist eine verwundbare Region und weltweit mit am stärksten von den Auswirkungen des Klimawandels betroffen. Wüstenbildung und Dürren treten hier gehäuft auf. Der Klimawandel hat die Ressourcenknappheit verschärft und die Umwelt geschädigt. Zwei Drittel des Bodens sind verödet. Das hat Ressourcenknappheit, Migration und Konflikte zur Folge. Diese Probleme bedürfen einer Lösung.
 

Das Klima in der Sahelzone ist sehr trocken und heiß. / © O. Bory, pixabay.com


Great Green Wall

2007 begannen afrikanische Nationen, eine grüne Mauer aus Bäumen anzulegen – quer über den gesamten Kontinent, vom Senegal im Westen bis Dschibuti im Osten. Ist sie einmal vollendet, wird der Great Green Wall das größte lebende Bauwerk der Welt sein, dreimal so groß wie das Great Barrier Reef.
Vorläufer gab es jedoch bereits seit ca. 1985. So wurden laut Welthungerhilfe in der Region des  südlichen Niger bereits mindestens 200 Millionen Bäume gepflanzt.

Doch was ist die Grüne Mauer konkret? – Der Great Green Wall wird ein Mosaik aus renaturierten Landstücken sein. Viele Menschen stellen sie sich als eine Reihe von Bäumen vor, doch vielmehr wird sie ein Netz aus vielen verschiedenen Entwicklungspunkten sein. Ein Mosaik aus Teilstücken, das sich zu einem großen Ganzen, dem Great Green Wall, zusammenfügt und quer über den afrikanischen Kontinent ziehen soll. Eine wirklich große Sache.
 

Im Senegal ist der Great Green Wall schon fortgeschritten. / © dezalb, pixabay.com


Senegal

Der Senegal war das erste Land, das mit der Aufforstung für die Grüne Mauer begann. Das war im Jahr 2008. Die Senegal-Akazie eignet sich dabei besonders gut: Sie ist besonders widerstandsfähig gegenüber der Dürre der Sahelzone.
Das Projekt der Grünen Mauer wurde von Afrikanern geplant und wird von Afrikanern umgesetzt. Der politische Wille ist vorhanden und wird von der Afrikanischen Union immer wieder bekräftigt. Allerdings kommen seit dem Start so gut wie alle finanziellen Mittel aus der Entwicklungshilfe. Es gibt kaum afrikanische Länder, die Geld aus dem Staatshaushalt für den Great Green Wall bereitstellen können.

Bei der Grünen Mauer geht es jedoch nicht nur darum, Bäume zu pflanzen – es geht darum, Ökosysteme neu zu beleben und die Wirtschaft der Dörfer zu fördern. Die Renaturierung des Bodens ist überlebenswichtig für die Menschen der angrenzenden Regionen. Ebenso geht es um Resilienz (Widerstandskraft) und Hoffnung, darum das eigene Schicksal aktiv in die Hand zu nehmen. Neben dem Pflanzen der Bäume werden gemeinnützige Projekte in den Dörfern gegründet, welche die Ziele des Great Green Wall unterstützen wie z.B. der Zugang zu Trinkwasser, Gesundheitsversorgung oder die Sicherung des landwirtschaftlichen Anbaus. So werden auch Gärten gefördert, in denen gegen Hitze und Trockenheit resistentere Pflanzen wie Mangos und Papayas angebaut werden. Und das Pflanzen der Bäume verändert den Wasserhaushalt, Mädchen und Frauen müssen nicht mehr mehrere Stunden pro Tag aufwenden, um Wasser für die Familie zu holen. Insbesondere für Frauen eröffnen sich neue Möglichkeiten. Der Great Green Wall soll auch neue, „grüne“ Jobs mit existenzsicherndem Einkommen ermöglichen. Darüber hinaus gilt die Grüne Mauer auch als Symbol des Friedens und der Völkerverständigung.
Durch all das sollen die Menschen eine Zukunft in der Sahelzone haben.

 

Der Great Green Wall gibt den Menschen eine Zukunft. / © Manuela Milani, pixabay.com


Die Gemeinden pflanzen die Bäume zunächst in Schonungen an. Über 2,5 Millionen Bäume pro Jahr werden so geschützt. Die Pflanzungen werden von der Gemeinde übernommen. Das ist auch wichtig, damit ein Bezug zum Projekt entsteht und die Menschen Verantwortung übernehmen.
Die Pflanzzeit ist jedoch sehr kurz: Nur in der kurzen Regenzeit von August bis September können die Bäume gepflanzt werden. Höchstens ein Monat also – ein Wettlauf mit der Zeit. Doch werden die Bäume nicht gepflanzt, müssen die Menschen früher oder später ihre Heimat verlassen. Es geht um das Überleben der Menschen und der Sahelzone.
Durch die symbolische und reale Handlung des Bäume-Pflanzens wird dem Land neues Leben eingehaucht.  Es werden Bäume gepflanzt, die in gut 10 Jahren groß sein und der Gemeinde Nutzen bringen werden.
Und durch die bisherigen Erfolge bei der Renaturierung erfahren die Menschen bereits, wie viel ertragreicher es sein kann, Bäume wachsen zu lassen anstatt sie aus großer Not als Feuerholz zu nutzen oder bereits die kleinsten Austriebe als Viehfutter zu verwenden. Die Menschen erfahren, wie durch die Bäume die Fruchtbarkeit der Böden gesteigert und der Boden vor Wind geschützt wird, der sonst den gerade ausgebrachten Samen fortwehen würde.

Die Bäume werden in Schonungen vorgezogen. / © Ivan Horvat, pixabay.com


Konflikte

Der Great Green Wall ist noch keine Tatsache. In manchen Ländern ist er weniger weit fortgeschritten. Im Senegal ist der Great Green Wall bereits zu einem Symbol der Hoffnung geworden. Im Rest der Sahelzone ist er jedoch noch eher eine Vision. Weniger als 15% wurden bisher fertig gestellt.
Die Umsetzung wird leider durch viele Konflikte in den Ländern der Sahelzone erschwert. Wird den Ländern die Umsetzung auf diesem Hintergrund gelingen? Im Norden von Mali gibt es z.B. einen großen bewaffneten Konflikt. Fast eine halbe Million Menschen mussten fliehen. Es gibt viele unsichere Gebiete.
Und die Wüstenbildung, die Folgen des Klimawandels lösen zusätzlich Unsicherheiten aus.
Angesichts dieser Krisen ist es schwierig, sich auf die Grüne Mauer zu fokussieren.

Auch in Niger und Nigeria gibt es bewaffnete Konflikte. Menschen werden von Boko Haram getötet, verschleppt oder zu Attentaten gezwungen.
Doch all das ist verbunden: Können Menschen ihren Lebensunterhalt nicht sichern, führt dies zu Konflikten in der Bevölkerung und Kämpfen um Ressourcen.

 

In der Sahelzone gibt es bewaffnete Konflikte. / © Charles Nambasi, pixabay.com


Die Grüne Mauer soll insbesondere jungen Menschen Hoffnung und Perspektive geben, abseits von den Möglichkeiten, entweder zu migrieren oder sich einer bewaffneten Gruppe anzuschließen. Die Menschen sollen in ihrer Heimat Arbeitsplätze finden, ihren Lebensunterhalt bestreiten und ihre Familie ernähren können.  Dafür setzen sich die Menschen vor Ort ein, die das Projekt des Great Green Wall vorantreiben und bekannt machen.
 

Tschadsee

Auch im Norden Nigerias sind die Konflikte eng mit dem Klimawandel verbunden. So sind z.B. 30 Millionen Menschen vom Ökosystem des Tschadsees abhängig, der im Grenzgebiet der Länder Nigeria, Niger, Tschad und Kamerun liegt. Doch in den letzten 50 Jahren sind über 90% des Tschadsees ausgetrocknet. Hinzu kommen Dürren. Den Menschen fehlt somit Zugang zu Wasser und die Möglichkeit, ihren Lebensunterhalt durch Fischen oder Viehhaltung etc. zu sichern. Viele Menschen wurden vertrieben, viele junge Menschen radikalisieren sich. Die Bodendegeneration hat also direkte humanitäre Folgen.
 

Bevölkerungswachstum

In der Sahelzone gibt es zudem eine Explosion der Bevölkerung: Niger hat z.B. die höchste Geburtenrate weltweit und gilt gleichzeitig als eines der ärmsten Länder der Welt. Eine Frau bringt dort im Durchschnitt mehr als 7 Kinder zur Welt.
Das große Bevölkerungswachstum macht die ohnehin schon knappen Ressourcen noch knapper. In Kombination mit den Folgen des Klimawandels wird das immer mehr junge Menschen dazu zwingen, ihre Heimat zu verlassen. Es gibt die Annahme, dass bis 2050 60 Millionen Menschen ihre afrikanische Heimat verlassen werden.

In der Sahelzone ist die Hälfte der Bevölkerung unter 15 Jahren.
Doch die Kinder, die dort leben und heute zur Welt kommen, werden das Ergebnis des Great Green Wall in 20 Jahren spüren.

 

Die Hälfte der Bevölkerung ist unter 15 Jahren alt. / © Vasuki Belavadi, pixabay.com

 

Äthiopien

Anders dagegen die Situation in Äthiopien: In einer großen Hungersnot in den 1980er Jahren starben über 400.000 Menschen. Damals litt das Land unter einer großen Dürre. Das führte zu einer massiven Knappheit von Wasser und Nahrungsmitteln. Viele Menschen mussten fliehen. In ganzen Gegenden war kein bisschen grün mehr zu sehen.

Heute ist dort vieles anders:
Nach der verheerenden Dürre und Hungersnot haben die Bauern große Anstrengungen unternommen, das Land zu begrünen und zu bepflanzen. Inzwischen sieht man, wie sich das Land wieder erholt hat. Den Menschen ist bewusst: Die Bäume und Pflanzen, die sie gepflanzt haben, schützen die Gegend. Wenn kein oder kaum Regen fällt, können sie dank des gespeicherten Wassers überleben. Sie haben erfahren, wie auch arme Gegenden zu neuer Blüte finden, wenn Wasser und Boden geschützt werden.
Die Arbeit, die die Menschen in den letzten 30 Jahren in der Region Tigray und in anderen Regionen Äthiopiens geleistet haben, ist ein perfektes Beispiel und Vorbild für den Rest der Sahelzone. Es zeigt, was Veränderungen bewirken können und dass die Menschen vor Ort es schaffen können.

 

In Äthiopien wurde bereits viel aufgeforstet. / © wdkunze, pixabay.com


Ausblick

Wird das ehrgeizige Projekt am Ende Erfolg haben? Wird es die Lebensgrundlage der Menschen verbessern, Einkommen und Ernährung sichern?
Klar ist, dass es ein Wettlauf mit der Zeit ist. Es muss jetzt gehandelt werden. Die Gemeinden vor Ort können den Wandel nicht alleine stemmen. Es muss eine Bewegung werden, die Afrika und die ganze Welt erfasst. Der Great Green Wall muss vom Thema internationaler Organisationen zu einer Volksbewegung werden. Dann kann der Afrikanische Traum wahr werden.

 

Der Great Green Wall ist eine Investition in die Zukunft. / © pochogh, pixabay.com

 

 „Wir müssen den Mut haben, die Zukunft zu erfinden.“
(Thomas Sankara, ehemaliger Präsident von Burkina Faso von 1983 – 1987. Er gilt als einer der Führer der panafrikanischen Bewegung und Visionär im Kampf gegen die Wüstenbildung.)

 

 


 

Quellen:

  • Dokumentationsfilm „The Great Green Wall“ von Jared P. Scott  (2019)
  • www.greatgreenwall.org
  • „Hoffnungsträger für die Zukunft“ Alverde-Magazin Juni 2022, Seite 78-80
     

Die Autorin Stephanie


Eine Story von: Stephanie

Stephanie schreibt ehrenamtlich für die WWF Jugend Community. Sie ist im Redaktions- und Aktionsteam. Auch du kannst hier mitmachen - melde dich gerne bei uns.