Wachsen oder Weichen? EU-Agrarpolitik

Published on January 15, 2019

Am 19. Januar demonstrieren wir in Berlin unter dem Motto „Wir haben es satt!“. Gemeint ist die Agrarindustrie, denn zurzeit wird viel zu wenig für eine zukunftsfähige Landwirtschaft getan. Wir aber wollen gutes Essen, artgerechte Tierhaltung, Erhalt der Bauernhöfe und klimagerechte Landwirtschaft. Damit ihr den vollen Durchblick habt, wenn wir nächsten Samstag gemeinsam auf die Straße gehen, sind hier die wichtigsten Beweggründe der „Wir haben es satt!“ Bewegung zusammengefasst.

Wie funktioniert EU-Agrarpoltik (zurzeit)?

Die Gemeinsame Agrarpolitik (GAP) ist eines der ältesten Politikfelder der EU. Und mit 40% der Gesamtausgaben macht sie auch den größten Teil der EU-Agrarpolitik aus. Insgesamt stehen diesem Bereich jährlich ca. 60 Milliarden EURO an EU-Mittel zur Verfügung. Die EU-Förderung teilt sich in zwei Teile:

1.    Der erste Teil besteht aus Direktzahlungen. Diese gehen gemessen an der Größe der Betriebe direkt an die Landwirte. Die letzte große GAP-Reform fand 2013 statt, dort wurde beschlossen, dass diesen Zahlungen das „Greening“ hinzugefügt wird. Das führte zu einem vorläufigen Aufatmen der Öko-Betriebe. In Deutschland war der Plan, 30% der Direktzahlungen in Betriebe, die bestimmte Umwelt- und Klimaschutz Bedingungen einhalten, fließen zu lassen. Diese Bedingungen unterliegen allerdings so vielen Ausnahmeregelungen, dass das Greening langfristig zu keiner Verbesserung führt. Auch bei der Förderung von kleinen Betrieben und Junglandwirten muss mehr getan werden. Seit fünf Jahren gibt es für die ersten Hektare einen Zuschlag. Insgesamt werden so aber nur ca. 7% der Direktzahlungen eingesetzt, um kleinere und mittlere Betriebe stärker zu fördern. Junglandwirte, die bei der Antragstellung auf nicht älter als 40 Jahre sind, bekommen für maximal fünf Jahre eine Zusatzförderung in der ersten Säule von rund 44 Euro pro Hektar.

Durch das Gießkannenprinzip wachsen große Betriebe immer weiter.

 

2.    Der zweite Teil geht an gezielte Förderprogramme für nachhaltige und umweltschonende Bewirtschaftung. Dazu zählen auch Förderprogramme zur Digitalisierung. Die EU-Staaten können allerdings in einem gewissen Rahmen selbst festlegen, nach welchen Kriterien die Förderungen in ihrem Land vergeben werden sollen. Zudem müssen die Mittel der zweiten Säule mit nationalen Mitteln, in Deutschland also von Bund, Ländern und Kommunen, kofinanziert werden. Wenn wir aber unsere Landwirtschaft wirklich nachhaltig umbauen wollen, muss dieser Anteil deutlich höher sein und strengere Grundlagen von der EU festgelegt werden.

Die Leitlinien für die GAP werden in der Regel alle sieben Jahre aufgestellt. Nun steht 2019 wieder eine Agrarreform an.

Warum muss sich etwas ändern?

Aktuell gilt also: Wer viel Land besitzt, bekommt viel Geld. Die Devise lautet somit: Wachsen oder Weichen. Im Jahr 2010 haben z.B. die 1,8 % der Betriebe mit der größten ha-Anzahl 30,7 % der gesamten EU-Direktzahlungen an Deutschland erhalten. Da ein kleiner Betrieb aufgrund der Fixkosten, die unabhängig von der bewirtschafteten Fläche entstehen, pro Hektar höhere Kosten hat als ein großer Betrieb, werden sie systematisch benachteiligt. Das Höfesterben nimmt mehr und mehr zu. Mit dem Gießkannen-Prinzip werden auch die Betriebe unterstützt, die ihre Tiere nicht artgerecht halten, Totalherbizide verwenden und Monokulturen schaffen. Tierleid, Insektensterben und Klimakrise werden dadurch angeheizt. Das Dürrejahr 2018 hat gezeigt: So geht es nicht weiter. Wir wollen keine Agrarindustrie, wir wollen bunte Vielfalt. Die Direktzahlungen sind weder an den gesellschaftlichen Funktionen der Landwirtschaft noch an der Bedürftigkeit der Landwirte ausgerichtet. Durch den großen Anteil der Direktzahlungen fehlen die Mittel für eine gezielte Honorierung von Gemeinwohlleistungen.

Was sind die Forderungen?

-    Subventionen nur noch für umwelt- und klimaschonende Landwirtschaft!
-    Öffentliche Gelder nur noch für artgerechte Tierhaltung!
-    Mehr Unterstützung für kleine und mittlere Betriebe, die gute Lebensmittel für uns alle erzeugen!

Für uns ist klar: Wir wollen ein solidarisches Europa. Die Arbeitsbedingungen in vielen europäischen Schlachthöfen und Treibhausplantagen sind nicht vertretbar. Doch Discounter und Exportindustrie bieten ihre Produkte somit zu extrem niedrigen Preisen an und machen immer größere Profite.
Deutschland trägt als großer und einkommensstarker Mitgliedsstaat eine besondere Verantwortung für eine zukunftsfähige Neuausrichtung der GAP. Zudem besteht in Deutschland ein erheblicher Handelsbedarf in Bezug auf Umwelt-, Klima- und Tierschutzprobleme. Deshalb fordern wir, dass sich die Bundesregierung bei den Verhandlungen in Brüssel an die Seite der Bäuerinnen und Bauern stellt, die Tiere artgerecht halten, insektenfreundliche Landschaften schaffen und gutes Essen herstellen.

© Robert Guenther / WWF

 

Natürlich trägt der Verbraucher durch das Nachfrageprinzip eine Mitverantwortung für das, was angeboten wird. Initiativen wie Foodsharing, Solidarische Landwirtschaft oder Foodcoops wachsen jedoch immer schneller und schaffen wertvolle und zukunftsweisende Alternativen.

Mehr Infos zur "Wir haben es satt!" Demo findet ihr hier. Sei dabei, wenn wir dafür mit Zehntausenden im politischen Berlin demonstrieren. Wenn sich bei der weltgrößten Agrarmesse „Grüne Woche“ und dem Agrarministergipfel alles um die Zukunft unsere Existenzgrundlage dreht, fordern wir gemeinsam den Umbau der Landwirtschaft: Wir haben Agrarindustrie satt – Essen ist politisch!

Quellen:

Wir haben es satt! Demo-Seite: https://www.wir-haben-es-satt.de/informieren/aufruf/

Bundesminesterium für Ernährung und Landwirtschaft: https://www.bmel.de/DE/Landwirtschaft/Agrarpolitik/_Texte/GAP-FAQs.html;jsessionid=5166AD7E1E65D8E1EA42CECC09142C88.1_cid288#doc4121226bodyText1

Wissenschaftlicher Beirat für Agrarpolitik, Ernährung und gesundheitlichen Verbraucherschutz: https://www.bmel.de/SharedDocs/Downloads/Ministerium/Beiraete/Agrarpolitik/GAP-GrundsatzfragenEmpfehlungen.pdf?__blob=publicationFile

Aktion Agrar: https://www.aktion-agrar.de/europaeische-agrarpolitik/

Titelbild: © iStock / GettyImages


 


Die Autorin Lena

Eine Story von: Lena

Lena schreibt ehrenamtlich für die WWF Jugend Community. Sie ist im Redaktions- und Aktionsteam. Auch du kannst hier mitmachen - melde dich gerne bei uns.