
Die neue rote Liste - immer mehr Arten sterben aus
Kein Ende der Abwärtsspirale in Sicht: In ihrer aktuellen Roten Liste hat die Weltnaturschutzunion IUCN am 10. Dezember 2019 insgesamt 30.178 Tier- und Pflanzenarten als bedroht aufgeführt – das sind mehr als jemals zuvor.
Ob Primaten, Schuppentiere, Haie oder Eukalyptus: Bei vielen Spezies hat sich der Niedergang in den letzten Jahren noch beschleunigt. "Der Mensch ist der größte Feind der biologischen Vielfalt. Lebensraumzerstörung, Wilderei sowie die Klimakrise machen uns zum Artenkiller Nummer Eins", kommentierte Christoph Heinrich, Vorstand Naturschutz beim WWF Deutschland die neuen Zahlen der IUCN. "Noch haben wir es selbst in der Hand, das größte Artensterben seit dem Verschwinden der Dinosaurier zu stoppen." Die Weltnaturschutzunion hat mittlerweile insgesamt 112.432 Arten untersucht, mehr als jemals zuvor. Davon gelten rund 27 Prozent als bedroht.
Weitere 18 Affenarten aus Afrika und Südamerika sind nun laut Roter Liste bedrohter als zuvor. Im Laufe des vergangenen Jahres wurde bereits einigen anderen Affenarten ein schwindender Bestand bescheinigt. Ihnen allen macht der fortschreitende Lebensraumverlust und häufig auch die direkte Bejagung zu schaffen. Inzwischen sind alle Arten der Roten Stummelaffen, die im mittleren Afrika vorkommen, als bedroht geführt. Die Tiere werden aufgrund ihres Fleisches (Bushmeat) bejagt oder verlieren ihren Lebensraum, weil riesige Waldgebiete für Äcker und Plantagen gerodet werden.

Alle acht Schuppentier-Arten wurden von der IUCN erneut untersucht. Drei von ihnen – zwei aus Afrika, eine aus Asien – sind stärker vom Aussterben bedroht als bisher angenommen. Das Palawan-Schuppentier von den Philippinen gilt fortan, neben zwei weiteren asiatischen Arten, als direkt vom Aussterben bedroht. Die Wilderei ist die größte Bedrohung für die Schuppentiere, sie gelten als die meist-gewilderten Säugetiere der Welt. Ihr Fleisch gilt in Vietnam und China als Delikatesse. Ihre Schuppen und ihr Blut werden als vermeintliches Wundermittel der Chinesischen Medizin gehandelt. Aberglaube und die Gier nach Delikatessen bringen die einzigartigen Tiere an den Rand des Aussterbens.

Wildkaninchen sind sehr weit verbreitet und werden teilweise sogar als Schädling bekämpft, weil sie früher in vielen Ländern eingeführt wurden, in denen sie ursprünglich nicht vorkamen. Doch in ihrem ursprünglichen Lebensraum, der sich auf Portugal, Spanien und das südliche Frankreich erstreckt, gelten sie als stark gefährdet. Ihr Bestand ist im vergangenen Jahrzehnt um bis zu 70 Prozent zurück gegangen. Dies hat wiederum Auswirkungen auf die bedrohten Arten des Iberischen Luchses und des Spanischen Kaiseradlers, die sich von den Wildkaninchen ernähren.

Mit der Aktualisierung der Roten Liste wurden auch alle Arten von Eukalyptus untersucht. Das Ergebnis: fast ein Viertel davon ist bedroht. 812 der insgesamt 826 Eukalyptus-Arten kommen nur in Australien vor. Der Rückgang der australischen Eukalyptuswälder wirkt sich auch auf die Koalas aus, die auf ihn als Nahrungsquelle angewiesen sind. Aktuell machen den Beutelbären zusätzlich die Buschbrände zu schaffen, die aufgrund der klimawandelbedingten Trockenheit dieses Jahr besonders verheerend sind.

Immer deutlicher wird auch die Gefährdung der Artenvielfalt durch die Erderhitzung. Das gilt sowohl an Land als auch im Wasser. 37 Prozent der australischen Süßwasserfischarten sind laut IUCN inzwischen bedroht, über die Hälfte von ihnen leidet direkt unter extremen Wetterbedingungen wie Wassermangel oder einer erhöhten Wassertemperatur. Zusätzlich zur Klimakrise besteht in den Meeren weiterhin hoher Druck durch unregulierte Fischerei, was sich auch in einer höheren Gefährdungskategorie von zehn Hai- und Rochenarten bemerkbar macht. Dazu zählt auch der in Korallenriffen lebende Kurzschwanz-Ammenhai, der nun vom Aussterben bedroht ist.
Es gibt auch wenige Lichtblicke
Dass es trotzdem gelingen kann, den Verlust der Artenvielfalt aufzuhalten, zeigen zehn Erfolgsgeschichten des IUCN-Berichts. Durch dezidierte Artenschutz-Maßnahmen hat sich der Status von acht Vogel- und zwei Süßwasserfischarten verbessert. Der Bestand des Mauritiussittichs erholt sich beispielsweise aufgrund eines erfolgreichen Nachzuchtprogramms wieder. Die Guamralle, die bereits in freier Wildbahn ausgestorben war, konnte auf einer Nachbarinsel wieder ausgewildert werden.
Unzählige Arten sterben jedes Jahr aus
Der Verlust der Artenvielfalt stellt heute eine der schlimmsten Katastrophen weltweit dar. Etwa zwei Millionen Tier- und Pflanzenarten sind bislang beschrieben worden. Doch zehn Millionen Arten soll es auf der Erde geben, vielleicht auch mehr. Unzählige davon verschwinden jedes Jahr.
Neuste Erhebungen gehen davon aus, dass sich die Aussterberate durch menschliche Einflüsse mittlerweile um den Faktor 1000 gegenüber der natürlichen Rate erhöht hat. Zu den weltweit wichtigsten Bedrohungsfaktoren für die Artenvielfalt zählen vor allem Lebensraumverlust und die massive Übernutzung der natürlichen Ressourcen wie etwa durch Überfischung oder auch Wilderei. Hinzu kommen Umweltverschmutzung, Klimakrise und die Verdrängung der heimischen Flora und Fauna durch eingeschleppte Arten.
Auch der Mensch ist dadurch bedroht
Das Aussterben einer Art ist unumkehrbar und schafft unkalkulierbare Risiken. Tiere und Pflanzen haben neben ihrem Eigenwert eine Funktion im Ökosystem. Gerät dieses durch Artensterben durcheinander, so entstehen auch Folgen für den Menschen. Nahrung, Wasser und Medizin hängen in weiten Teilen der Erde direkt von einem funktionierenden und gesunden Ökosystem mit einer hohen Artenvielfalt ab. Wird dieses Ökosystem durch Artenverlust zerstört, so gerät auch die Existenzgrundlage eines Großteils der Weltbevölkerung unmittelbar in Gefahr.
Jede verlorene Art ist eine zuviel
Der Niedergang der biologischen Vielfalt hat auch mit unserem Leben zu tun. Unsere Wirtschaft ist auf Wachstum ausgelegt. Immer mehr Konsum, immer mehr Produkte, immer mehr Arbeitsplätze, immer mehr Wohlstand. Doch ist dieses System des grenzenlosen Wachstums in einer Welt mit natürlichen Grenzen überhaupt das Richtige? Welche anderen Gesellschaftsmodelle, die einen geringeren ökologischen Fußabdruck haben, sind denkbar? Was können wir tun, um die biologische Vielfalt zu schützen, und welche Weichen müssen Politik und Unternehmen stellen, um einen lebenswerten Planeten zu erhalten.
Das kommende WWF Jugend Magazin kommt zum Thema "Artensterben" - mit weiteren Infos zum "Superjahr Biologische Vielfalt". 2020 wird für unsere Zukunft ein wichtiges Jahr, und deshalb werden wir eine neue Kampagne starten. Mach dich bereit für den neuen Themenschwerpunkt. Mehr Infos, wie du Teil der Kampagne werden kannst, erfährst du im Januar - bleib dran.
Eine Story von: Marcel
Marcel ist Community Manager bei der WWF Jugend und betreut u.a. das Redaktions- und Aktionsteam. Auch du kannst hier mitmachen - melde dich gerne bei uns.