
Nachhaltige Hochzeit - Ding der Unmöglichkeit?
Vielen sagen, wenn du nachhaltig heiraten willst, dann heirate einfach gar nicht (oder nur im engsten Kreis)..
Seit einem Jahr haben mein Mann und ich unsere Hochzeit geplant, immer wieder nach neuen Lösungen, bedingt durch die Pandemie suchen müssen und letztendlich entgegen der türkischen Kultur mit ungefähr 80 Gäste:Innen in der Nähe von Hamburg gefeiert. Dank Corona wurde in dieser Hinsicht nicht viel diskutiert und wir konnten tatsächlich mit der engsten Familie und unseren Herzensmenschen feiern. So war es möglich, mit jedem ein paar Worte zu wechseln und es war nicht noch der x-te Großcousin da, den man schon seit Jahren nicht mehr gesehen hat.
Spannenderweise haben danach gerade unsere türkischen Gäst:Innen gesagt, das sie eine Hochzeit im „kleinen“ Kreis wie bei uns viel schöner als die sonstigen Großveranstaltungen fanden.
Viele Gäst:Innen sind von weiter weg angereist, meine Familie und viele Freund:Innen haben allerdings die Bahn genommen oder sind in Fahrtgemeinschaften gefahren und haben die Feier genutzt, um dies mit einem kleinen Urlaub zu verbinden.
Zwar lag die Location etwas außerhalb, in einem mit dem Nahverkehr kaum zu erreichenden Dorf, daher wurden alle bei der Brautabholung auf freie Plätze in den Autos verteilt, sodass diese optimal genutzt wurden (wir hatten Glück, dass wir eine Location außerhalb Hamburgs hatten, selbst mit Einhaltung der 3G Regelung hätten wir zu dieser Zeit in Hamburg selbst nicht mehr feiern dürfen).
Die Location haben wir über eine Bekannte meines Schwiegervaters, welche Hochzeitsplannerin ist, gemietet. Mit dazu haben wir die Dekoration (Stuhlhüllsen, Tischdecken, Kerzenständer, Blumenvasen, Geschirr etc.) gemietet, welches von ihr gereinigt und wiederverwendet wird. Auch haben wir uns nach langem Überlegen weitestgehend für Kunstblumen (auch gemietet) entschieden, in welche orangefarbene Frischblumen als Farbakzente eingefügt wurden.
Hier hätte ich gerne darauf geachtet, wo sie herkommen, dass es FairTrade-Blumen sind, aber letztendlich hatte ich bis eine Woche vor der Hochzeit noch Klausuren und war einfach froh, diesen Teil der Aufgaben abzugeben.
Beim Essen haben wir tatsächlich ein wenig zu viele sog. unerwartete Gäst:Innen eingeplant (es ist wohl schon vorgekommen, dass sehr viele Gäste:Innen vergessen zuzusagen und dann trotzdem kommen). So wurden die Essensreste vom Buffet den Gäste:Innen mitgegeben, wir haben viel eingefroren und Nachbar:Innen und Freund:Innen Obst und türkische Süßspeisen mit ein paar Blumen vorbeigebracht.
Letztendlich wurde dadurch kaum etwas weggeworfen und die letzten Reste vom Obstbuffet wanderten gestern in einen Apfelkuchen.
Bei der Kleidung haben wir bewusst auf ein Motto bzw. eine Farbvorgabe verzichtet, um einen Neukauf zu vermeiden. Meinen Freund:Innen habe ich z.B. direkt gesagt, dass sie voll gerne in ihrer Kleidung vom Abiball kommen können.
Mein Brautkleid stammt von einem Second-Hand-Brautmodengeschäft in der Nähe von Stuttgart. Mir war es wichtig, dass nicht so krass viele Ressourcen für ein Kleid drauf gehen sollen, was man eh nie wieder tragen wird.
Leider wurden bei der Schneiderin dann ein paar kleinere Makel festgestellt, welche allerdings auch bei verschiedenen Anproben von Kund:Innen im Laden entstanden sein könnten.
Dies hat bei mir zu einigen Tränen und Familie meines Mannes zu viel Unverständnis geführt, da ihnen nicht ganz begreiflich erschien, wie ich für ein „benutztes“ Kleid eine Geldsumme ausgeben kann, wo man mit dieser Summe doch auch ein neues, maßgeschneidertes Kleid aus der Türkei besorgen könne.
Letztendlich waren die kleinen Makel schnell behoben und nach einer gründlichen Kontrolle von meiner Schwiegermutter fühlte ich mich an der Hochzeit auch sehr wohl und selbst denen, die davor noch nicht viel vom Kleid hielten, gefiel es am Ende mit Reifrock und an mich angepasst, besser als gedacht (entgegen meiner Erwartung war der Reifrock sogar ebenfalls mietbar, da hat man zunächst den ganzen Preis gezahlt und bei fristgemäßer Rückgabe einen Teil des Kaufpreises zurück bekommen).Dass es schon einmal getragen wurde, hat man ihm jedenfalls an der Hochzeit nicht angesehen und auch ich habe mich damit „sicher“ gefühlt, nachdem mir versichert wurde, dass alle Schäden wirklich behoben sind (ich selbst sehe ja viel zu schlecht, um die Schäden überhaupt zu sehen).
Trotz dieser Erfahrungen möchte ich jedem zukünftigen Brautpaar ans Herz legen, zumindest für das Brautkleid, ein bereits getragenes Kleid in Betracht zu ziehen. Mein Mann hat bei seinen Anzügen darauf geachtet, dass er diese nun auch im Alltag, z.B. bei bestimmten Anlässen auf der Arbeit tragen kann.
Für mein Standesamtkleid hatte ich zunächst ein Kleid in der Lieblingsfarbe meines Mannes vorgesehen, welches trotz seines beträchtlichen Alters von ca. 60 Jahren (meine Oma hat sehr auf das Kleid geachtet und es mir vor wenigen Jahren gegeben) immer noch durch seine schlichte Eleganz passend wirkt.Wieder etwas, wo ich auf Unverständnis stieß. Sei eine Hochzeit doch der perfekte Anlass, sich schicke Kleider zu kaufen und schließlich müsse man sich ja als Braut auch von allen anderen Gäste:Innen beim Standesamt abheben (Funfakt: es durften sich inklusive Standesbeamten, Trauzeuge:Innen und dem Brautpaar nur sieben Personen im Trauzimmer aufhalten, entsprechend wenige haben auch vor dem Standesamt gewartet).
Hier habe ich nachgegeben, mir ein neues Kleid gekauft, was auch der Familie meines Mannes gefallen hat und mich damit getröstet, dass ich es aufgrund des Schnitts auch zu anderen Anlässen tragen kann und plane, es zeitnahe umzufärben.
Man sieht vielleicht, es war hier immer wieder nötig, Kompromisse zu finden. Gerade, wenn man die einzige Person ist, die in irgendeiner Weise auf Nachhaltigkeit achten möchte und die Hochzeit entsprechend der türkischen Tradition primär von den Eltern des Bräutigams organisiert wird. Aber immerhin in einer Hinsicht waren wir uns komplett einig. Bei türkischen Hochzeiten ist es üblich, Geld oder Gold zu schenken. Und da mein Mann und ich schon weitestgehend alles für den Haushalt beisammen hatten bzw. bei manchen Dingen auch auf die Barrierefreiheit von z.B. Küchengeräten achten müssen, haben wir alle Gäste:Innen um „Flittergeld“ gebeten, falls sie etwas schenken möchten. Und so kamen neben Briefumschlägen nur gut durchdachte bzw. essbare, von engen Freund:Innen gemachte Geschenke.
Rückblickend war die Hochzeit für uns perfekt, auch wenn man hinsichtlich Nachhaltigkeit vieles besser machen kann. Daher nehmt euch die Zeit, sucht nach nachhaltigeren Alternativen und seid nicht enttäuscht, wenn nicht jede:r eure Sichtweise versteht bzw. nicht alles so nachhaltig klappt, wie man sich das vorgestellt hat.
Eine Story von: Jasmin
Jasmin schreibt ehrenamtlich für die WWF Jugend Community.
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