
Die Realität des Klimawandels - Eisbären aus Abwegen
Eisbären sind in vielerlei Hinsicht beeindruckende Tiere. Nicht nur sind sie die größten Landsäugetiere der Arktis und zweitgrößten Landraubtiere überhaupt, sie sind auch extrem ausdauernde Schwimmer – ihr lateinischer Name "Ursus Maritimus" passt daher perfekt. Ihr dickes weißes Fell hält den eisigen Wind ihrer Heimat ab und ihre schwarze Haut nimmt jeden Sonnenstrahl auf, der sie erreicht. Zusammen mit der bis zu 10 cm dicken Fettschicht unter ihrem Fell sind sie an die extremen Temperaturen der Arktis perfekt angepasst. Da sie auch keine natürlichen Feinde haben, kann den Bären im “ewigen Eis“ eigentlich nichts etwas anhaben.

Nichts - außer der Mensch. In Alaska und dem Nordwesten Kanadas etwa hat sich die Eisbärenpopulation seit Beginn des Jahrhunderts um 40% verkleinert, zuletzt gab es nur noch 900 Tiere, wo 2004 noch 1500 gezählt wurden. Der Grund für diese dramatische Entwicklung ist schnell gefunden: Die Anpassung der Bären an das “ewige Eis“ bedeutet nämlich auch ihre Abhängigkeit von diesem. Der Klimawandel macht ihnen nun einen ziemlich großen Strich durch die Rechnung. Denn dass die Erde sich aufheizt, bedeutet, dass sogar das eigentlich massive arktische Packeis zu tauen beginnt, ein Prozess, der sich immer weiter beschleunigt und dazu führen kann, dass wir schon ab 2050 das “ewig“ streichen müssen, wenn diese Entwicklung nicht aufgehalten wird und die ersten arktischen Sommer eisfrei werden.
Dies ist ein Umstand, gegen den auch die imposanten Bären keine Chance haben. Denn erst wenn das Packeis im Winter wächst, beginnt ihre Jagd auf ihre Hauptnahrungsquelle - Robben, die an den wenigen Löchern im Eis Luft holen, an denen die Eisbären auf sie warten können. Wenn sie jedoch während der Jagdzeit nicht genug fressen können, fehlen ihnen Fettreserven für die eisfreie Zeit, die mit zunehmender Länge zu einer immer größeren Bedrohung wird, besonders für Jungtiere und ihre hungrigen Mütter.

Das Ausmaß des Problems endet jedoch nicht an dieser Stelle. Denn wenn die Bären mangels Eis nicht ausreichend jagen können, müssen sie sich andere Nahrungsquellen suchen. Dies bekamen zuletzt die Bewohner der Insel Nowaja Semlja im russischen Norden zu spüren. Dort wurde vor knapp drei Wochen der Notstand ausgerufen, als immer mehr ungebetene Besucher angezogen von einer großen, ungesicherten Müllhalde in den Hauptort Beluschja Guba vorzudringen begannen. Es wurden mindestens 52 Eisbären gesichtet, 10 davon hielten sich ständig dort auf. An sich kein Drama, doch die hungrigen Bären seien laut örtlicher Medien in Häuser eingedrungen und hätten zudem Menschen angegriffen. Von Zäunen, Patrouillen und Streifenwagen ließen sie sich nicht abhalten. Verständlicherweise löste dies Angst bei den Einwohnern aus, die ihre Kinder zur Schule schicken und selbst zur Arbeit gehen müssen.
Wie nun mit einer derartigen Situation umgehen? Zum einen stehen Eisbären auf der roten Liste der gefährdeten Tierarten, andererseits kann man kaum riskieren, dass etwa Kinder auf dem Schulweg von ihnen angegriffen werden. Der Zustand hatte sich bereits derart verschlimmert, dass nicht ausgeschlossen werden konnte, dass trotz der Gefährdung ihrer Art Bären abgeschossen werden müssen.
Vor drei Tagen dann die Entwarnung: den Patrouillen sei es doch gelungen, die Tiere auf Abstand zu halten und aus den bewohnten Gebieten zu vertreiben, ohne dass das Abschießen nötig gewesen wäre. Somit hat die als “Invasion“ titulierte Wanderung der Eisbären in Russland nun glücklicherweise einen glimpflichen Ausgang genommen.
Aufatmen und einfach weitermachen können wir trotzdem nicht. Vorfälle wie dieser dürfen nicht einfach zu den Akten gelegt werden, nur weil den betroffenen Menschen dieses Mal nichts Schlimmes passiert ist. Sie sind vielmehr eine deutliche Warnung – der Klimawandel ist schon lange kein abstrakter Begriff mehr, sondern Realität. Seine Folgen für die gesamte Natur sind bereits jetzt dramatisch und werden auch an uns Menschen in vielerlei, vielleicht auch bisher unvorhergesehener Weise nicht spurlos vorbeigehen.
Eine Story von: Sarah
Anne schreibt ehrenamtlich für die WWF Jugend Community und ist im Redaktions- und Aktionsteam. Auch du kannst hier mitmachen - melde dich gerne bei uns.