Innovative Lösungsansätze im Kampf gegen Plastikmüll im Meer

Published on June 14, 2018

Mikroplastik in den Meeren – und innovative Ideen dagegen

Von der Quietscheente in der Badewanne über Autoreifen, Rasierer, Kleidung und Kraftstoffe - Produkte auf Erdölbasis finden in unserer Welt nahezu überall Verwendung. Selbst in unseren Kaugummis und in der Zahnpasta ist Plastik enthalten.

Kunststoffe sind günstig in der Produktion, haben im Vergleich zu Metall ein geringes Gewicht, sind beständig in ihrer Lebensdauer und vielfältig in ihrem Einsatzbereich. Das erklärt ihre internationale Beliebtheit. Die weltweite Produktion von Kunststoffen steigt immer noch rasant und wächst mit etwa 8,4 Prozent im Jahr an.    

Doch die vielen Vorteile des Rohstoffes Erdöl fordern einen hohen Tribut. Denn die Kunststoffe lassen sich in der Umwelt nur sehr langsam abbauen. Es kann mehrere hundert Jahre dauern, bis ein einziges Teil vollständig zersetzt wurde. Während des Zersetzungsprozesses entstehen zusätzliche Schadstoffe durch eingesetzte Weichmacher und andere Bestandteile, von denen viele als krebserregend oder giftig eingestuft werden.[3]

Erschwerend ist zudem, dass größere Plastikteile mit der Zeit zu sogenanntem Mikroplastik zerfallen. Dieses ist sogar besonders umweltschädlich. Nach der Definition der U.S. National Oceanic & Atmospheric Administration müssen die Teilchen unter 5mm Durchmesser besitzen, um als Mikroplastik bezeichnet werden zu können.[4] Diese Kleinteile sind mittlerweile nicht nur in unglaublicher Anzahl in der Arktis, sondern in nahezu jedem Lebewesen zu finden. Der größte Teil des Mikroplastiks entsteht durch den Reifenabrieb von Fahrzeugen. Aber auch in Düngemittel befindet sich Plastik. Über den Einsatz der Kleinstteile in der Industrie und im Haushalt, Verlusten beim Transport und die Zersetzung von Müll gelangt es ins Grundwasser und in die Meere.

Von Organismen werden Kunststoffe hauptsächlich über die Nahrung aufgenommen. Gerd Liebezeit, Meereschemiker an der Universität in Oldenburg untersuchte die Tiere auf der Nordseeinsel Juist auf Mikroplastik. Er konnte in allen untersuchten Muscheln, Austern, Speiballen, im Kot von Seemöwen und Seehunden, in Kegelrobben und in toten Schweinswalen Mikroplastikteile nachweisen.[6] Mikroplastik entsteht vor allem durch die Zersetzung von größeren Plastikteilen, wird aber auch gezielt in der Industrie eingesetzt. In Kosmetikartikeln wie Peelings, Glitzer und auch Zahnpasta wurden diese Stoffe vermehrt verwendet.

Die Auswirkungen unseres verschwenderischen Einsatzes von Kunststoffen haben leider schon enorme Ausmaße angenommen. Nicht nur die Küste vor New York ist in hohen Ausmaß mit Mikroplastik kontaminiert, sondern auch bei uns im Bodensee, in der Ost- und Nordsee wurden recht viele Teilchen gefunden. Im Mittelmeer kommen mit 300.000 Teilen pro Quadratkilometer bereits zwei Planktonkrebse auf ein Mikroplastikteil.

Der Rhein ist an manchen Stellen mit 2,3 Mio. Partikeln pro Quadratkilometer stärker kontaminiert, als jedes andere untersuchte Gewässer weltweit. Das fand eine Untersuchung der Universität Basel heraus.[8]

Für die größte mediale Aufmerksamkeit des Problems sorgte aber der Nordpazifikwirbel. Durch die kreisförmige Strömung hat sich hier ein Teppich von großen und kleinen Plastikteilen angesammelt. Mittlerweile wird das betroffene Gebiet schon als „Great Pacific Garbage Patch“ bezeichnet. In diesem Strudel, der insgesamt ungefähr die Ausdehnung Westeuropas hat, treiben bereits über 100 Millionen Tonnen Plastikmüll und von Jahr zu Jahr werden es mehr - ein Großteil davon winziges Mikroplastik.[9]

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Hier sieht man das Ausmaß des "Great Pacific Garbage Path" und die Plastikkonzentration pro Quadratkilometer

 

Maßnahmen gegen Plastikmüll

Obwohl Mikroplastik schon längst um den ganzen Globus gefunden werden kann, gibt es auch einige Erfolge zu vermelden. In den USA zum Beispiel ist die Herstellung von Mikroplastik in Kosmetikartikeln seit Mitte 2017 und der Verkauf ab Mitte 2018 verboten. Die EU hängt im Moment noch hinter Staaten wie den USA, Großbritannien, Kanada und Neuseeland zurück, hat aber Anfang 2018 einen Maßnahmenplan für Kunststoffe veröffentlicht. Aktuell werden in der EU 30 Prozent der verwendeten Kunststoffe recycelt. Diese Quote soll bis 2030 auf 100 Prozent gesteigert werden. Deutschland ist mit 45 Prozent im Jahre 2012 ein Vorreiter im recyclen. Gleichzeitig überlegt man Mikroplastik in Kosmetika und Waschmittel zu verbieten.[11] Außerdem will die EU-Kommission den Verkauf von Einwegartikeln wie Geschirr und Besteck oder Plastikstrohhalmen verbieten.

Biologisch abbaubare Kunststoffe

Seit 1990 wird an biologisch abbaubaren Kunststoffen geforscht. Leider sprechen die schlechteren Werkstoffeigenschaften gegen Biokunststoffe. Damit der Stoff abgebaut werden kann muss man Einbußen in Bruch- und Zugfestigkeit oder der Haltbarkeit hinnehmen, weshalb die abbaubaren Kunststoffe bisher nur wenig Marktanteil besitzen. Etwa 0,13 Prozent der weltweit produzierten Kunststoffe sind biologisch abbaubar.[12] Da biologische Kunststoffe noch nicht verpflichtend sind und weder physikalische noch chemische Vorteile bringen, gibt es nicht genug Ansporn für die Unternehmen diese zu verwenden. Man könnte die Biokunststoffe subventionieren oder herkömmliche Kunststoffe besteuern um einen wirtschaftlichen Anreiz zu schaffen und die Forschung voranzutreiben.

The Ocean Cleanup

Ein innovativer Ansatz zur Ozeanreinigung bezeichnet sich „The Ocean Cleanup“ von Boyan Slat aus Delft. Seit 1994 forscht der Niederländer an dieser Technologie und dank fleißiger Crowdfunding-Spenden von zwei Millionen US-Dollar konnte 2016 eine Studie mit einem Prototyp durchgeführt werden. Statt Netzen werden einen Kilometer lange Röhren benutzt, die mit einer U-Form im Meer installiert werden.

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Unter der Röhre hängt eine Art undurchlässiger Vorhang, der das schwimmende Plastik auffängt. Gleichzeitig können Meereslebewesen einfach unter dem Vorhang hindurchschwimmen und werden nicht gefährdet.

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 Die Kosten für den Betrieb der Anlage liegen bei etwa 50 Dollar pro gefilterte Tonne Plastik und sind somit wirtschaftlich durchsetzbar. Trotzdem ist das Projekt stark auf finanzielle Unterstützung angewiesen. Privatpersonen können genauso etwas zur Sauberkeit der Meere beitragen wie Unternehmen. Das Haupteinsatzgebiet wird der Nordpazifikstrudel sein. In fünf Jahren könnten so laut Berechnungen die Hälfte des Mülls eingesammelt werden. Leider müssen die Teilchen mindestens einen Zentimeter groß sein, um aufgefangen werden zu können. Mikroplastik kann mit dem System nicht eingesammelt werden. Letztendlich kann aber das größere Plastik nicht mehr zu Mikroplastik zerfallen, was als großer Erfolg bezeichnet werden kann. Das Projekt soll 2018 noch im Nordpazifikstrudel eingesetzt werden, wenn genug Spenden gesammelt werden können.

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Pacific Garbage Screening (PGS)

Die Projektidee stammt von einer jungen Architektin aus Aachen – Marcella Hansch. Als sie ihren Tauchurlaub vor der Küste Westafrikas verbrachte, bekam sie die Vermüllung der Ozeane das erste Mal zu sehen. Sie verhedderte sich mehrmals in Plastiktüten und anderem Müll. Aus diesen Erfahrungen entwickelte sie das Konzept PGS. Bei dem Konzept handelt es sich um eine schwimmende Plattform. Diese ist etwa 400 mal 400 Meter groß und soll nicht nur wie bei „The Ocean Cleanup“ den an der Oberfläche schwimmenden Plastikmüll einsammeln.

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Da sich das Mikroplastik durch Strömungen in bis zu 30 Meter Tiefe befindet, kann es nicht direkt eingesammelt werden. Mithilfe tiefer Säulen wird die Meeresströmung zunächst beruhigt, sodass die Teilchen mit einer geringeren Dichte als das Wasser nach oben schwimmen. An der Oberfläche werden die Teilchen anschließend abgeschöpft.

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Das gewonnene Plastik kann leider nicht recycelt werden, da die Molekülstrukturen durch das Meerwasser verändert werden. Die Projektgruppe hinter dem PGS hatte die Idee das Plastik noch vor Ort zu Vergasen. Dabei entsteht vor allem Kohlen- und Wasserstoffgas. Mit dem Wasserstoffgas könnten anschließend Brennstoffzellen betrieben werden, die die Energieversorgung der gesamten Plattform übernehmen. Somit ist die Plattform nicht von externem Kraftstoff abhängig. Gleichzeitig könnte das Kohlenstoffdioxidgas Algen als Nahrung dienen. Diese werden auf dem Schiff gezüchtet. Weiteren Überlegungen sein die Algen zu Biokunststoff weiterzuverarbeiten.[18]

Zu dem Team hinter PGS gehören Architekten, Geographen, Chemiker, Meeresbiologen und Ingenieure. Allesamt arbeiten ehrenamtlich an dem Projekt – Was sie verbindet ist die Liebe zur Natur und besonders zum Meer. Unsere Ozeane stellen einen wichtigen Teil unseres Ökosystems und Klimas dar, ihr Schutz sollte Angelegenheit eines jeden sein. Jede Privatperson und jede Firma hat genau wie bei „The Ocean Cleanup“ die Möglichkeit dieses innovative Projekt zu unterstützen. Denn dann hat das Vorhaben ernste Chancen in naher Zukunft umgesetzt zu werden.

Unser blauer Planet

Letztendlich haben es die Ozeane nicht leicht. Das Korallensterben durch überhöhte Temperaturen und die Versauerung durch Kohlenstoffdioxid, Überfischung und Artenschwund, das Abschmelzen der Polarkappen oder die Vermüllung durch Mikroplastik und andere Toxine. Es ist wichtig, dass es Menschen gibt, die trotz der Vielzahl der Probleme nicht den Mut verlieren. Leute wie von „The Ocean Cleanup“ der dem „Pacific Garbage Screening“ setzen sich für die Meere und damit für das größte Ökosystem der Welt ein. Sie tun damit nicht den Ozeanen etwas Gutes, sondern uns allen. Daran sollten wir uns ein Beispiel nehmen und diese engagierten Menschen so gut es geht unterstützen, nicht zuletzt um der Politik zu zeigen: Wir wollen einen Umschwung zu mehr Nachhaltigkeit. Das Meer wird als Allgemeingut verstanden, auf das jedes Land einen Anspruch hat. Gleichzeitig möchte niemand die Verantwortung für die Schäden übernehmen, die durch uns alle entstehen. Dabei sind wir alle gleichermaßen von dem gesunden Ökosystem Meer abhängig und sollten uns auch so verhalten – respektvoll und vorausschauend. Wir können nicht die Augen verschließen und so tun als ginge uns das Meer persönlich nichts an. Das Meer beeinflusst nicht nur maßgeblich unser Klima und beheimatet eine große Artenvielfalt. Es ist eng mit allen anderen Ökosystemen auf der Welt verknüpft und wir können gar nicht alle dermaßen komplexen Verknüpfungen zwischen den natürlichen Systemen verstehen. Klar ist nur, wenn wir uns um ein Ökosystem nicht kümmern, kann das große Auswirkungen auf die anderen mit sich bringen. Diese Reaktionen können von ungeahnten Ausmaß sein. Probleme wie Überfischung oder die Verschmutzung der Weltmeere müssen auf internationaler Ebene angegangen werden und es muss länderübergreifende Gesetze und Schutzzonen geben. Nur so können wir auch in Zukunft noch mit unseren Enkeln am Strand sitzen und auf ein sauberes und lebendiges Meer hinausschauen. Denn unser blauer Planet ist das kostbarste was wir haben.

 

[3]  Schadstoffe in Plastik. Aufgerufen am 10.06.18 von „Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland“ unter: https://www.bund.net/chemie/achtung-plastik/schadstoffe-in-plastik/

[4] Courtney Arthur, Joel Baker, Holly Bamford (01.2009): Proceedings of the International Research Workshop on the Occurrence, Effects and Fate of Microplastic Marine Debris. Erschienen im NOAA Technical Memorandum

[5] [Titelbild] Grafik von Pixaby.com

[6] Anja Krieger (13.11.2013): Mikroplastik in jeder Muschel. Aufgerufen von „Deutschlandfunk Kultur“ am 6.06.18 unter: http://www.deutschlandfunkkultur.de/mikroplastik-in-jeder-muschel.1001.de.html?dram:article_id=268836

[8] Thomas Mani, Armin Hauk, Ulrich Walter & Patricia Burkhardt-Holm (08.12.2015): Kleinste Plastikteilchen: Der Rhein gehört weltweit zu den am stärksten belasteten Strömen. Aufgerufen am 05.06.2018 von „Universität Basel“ unter: https://www.unibas.ch/de/Aktuell/News/Uni-Research/Kleinste-Plastikteilchen-Der-Rhein-gehoert-weltweit-zu-den-am-staerksten-belasteten-Stroemen.html

[9] Kathy Marks, Daniel Howden (02.2008): The world's rubbish dump: a tip that stretches from Hawaii to Japan. Aufgerufen am 04.06.2018 von „The Independent“ unter: https://www.independent.co.uk/environment/green-living/the-worlds-rubbish-dump-a-tip-that-stretches-from-hawaii-to-japan-778016.html

[10] Grafik von The Ocean Cleanup. Pressebereich. Aufgerufen am 08.06.18 unter: https://www.theoceancleanup.com/press/

[11] Wirtschaftsportal Ekapija (17.01.2018): EU Kommission verabschiedet Strategie für Kunststoffe und Kunststoffabfälle. Aufgerufen am 8.06.18 unter: https://www.ekapija.com/de/news/2002769/eu-kommission-verabschiedet-strategie-fuer-kunststoffe-und-kunststoffabfaelle

[12] Dietrich Braun (09.2008): 150 Jahre Kunststoffe – Erfolge durch Forschung. Erschienen in „Chemische Rundschau“ S. 78ff.

[13] Grafiken von The Ocean Cleanup. Pressebereich. Aufgerufen am 08.06.18 unter: https://www.theoceancleanup.com/press/

[14] Ebd.

[15] Ebd.

[16] Grafik von Pacific Garbage Screening. Aufgerufen am 08.06.18 unter: https://pacific-garbage-screening.de/

[17] Ebd.

[18] Konzept Pacific Garbage Screening. aufgerufen am 08.06.18 unter: https://pacific-garbage-screening.de/


 

Eine Story von: David

David schreibt ehrenamtlich für die WWF Jugend Community und ist im Redaktions- und Aktionsteam. Auch du kannst hier mitmachen - melde dich gerne bei uns.

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