
Die UN-Klimakonferenz: Was ist, wenn sie nur reden?
„What do we want?“, ruft ein Junge, der mir gerade bis zur Hüfte reicht, in die Menschenmenge. „Climate Justice!“ antwortet die Masse um uns herum. Kurz wird es still, dann mit seinem Schild hoch über den Kopf brüllt er erneut, „When do we want it?“ und wir antworten, „Now!“¹. Zehntausende Menschen sind auf dem Weg in die Glasgower Innenstadt, alle mit einem Ziel: Die Klimakrise muss ernst genommen werden und Taten müssen folgen, jetzt!
Es ist Freitag und unser zweiter Tag in Glasgow. Mit dem Bus um 10:30 geht es los zur Demonstration. Das WWF-Jugend-Banner ist in meinem Rucksack und ich bin gespannt, was mich erwartet. Im Bus treffe ich zufällig Luisa und zwei weitere Aktivist:innen, die sich uns anschließen. Zusammen machen wir uns auf den Weg in Richtung Kelvingrove Park. Es ist Wahnsinn, mit wie vielen Menschen wir gemeinsam zur Demonstration unterwegs sind und die Massen scheinen nicht zu enden. Wir sehen Kinder in jedem Alter, Eltern und Großeltern. Alle unterhalten sich in den unterschiedlichsten Sprachen. Wir sind begeistert! Und wir haben Glück, denn das Wetter ist fantastisch und die Herbstblätter an den Bäumen tauchen alles in ein goldenes Licht.
Die Freitagsdemonstration kann beginnen und zehntausende von Menschen machen mit lauten Parolen und Musik auf die Klimakrise aufmerksam. Es gibt Menschen mit Trommeln, Menschen mit großen Bannern und atemberaubenden Kunstwerken oder ganze Chöre, die gemächlich die Innenstadt von Glasgow durchqueren. Doch auch wenn die Stimmung auf der Demonstration heiter scheint, ist uns allen bewusst, weshalb wir auf die Straßen gehen.

Der Grund befindet sich genau in diesem Moment ein paar hundert Meter entfernt, im Exhibition Center von Glasgow und diskutiert.
„If we don’t get serious about climate change today, it will be too late for our children to do so tomorrow!”²
Das sagte Boris Johnson in seiner Rede zum Beginn der UN-Klimakonferenz und jetzt reden 196 Entscheidungsträger:innen der Welt über den Kohleausstieg und Treibhausgase, über erneuerbare Energien und Innovationen für die Industrie. Über Klimagerechtigkeit und wer das Ganze bezahlen soll. Ja, es ist unglaublich wichtig, dass Entscheidungsträger:innen diese Gespräche führen, nur muss sich danach auch wirklich etwas verändern! Doch sind wir uns alle nicht sicher, ob diese Gespräche auch wirklich die dringend benötigten politischen Veränderungen herbeiführen. Seit zig Jahren reden die politischen Entscheidungsträger:innen mit Expert:innen und diskutieren die Lage und trotzdem schmilzt der Permafrost auf den isländischen Böden, Lebensgrundlagen werden von Fluten weggespült, Ernte verbrennt und Regenwälder werden abgeholzt, Tiere sterben aus und Menschen fliehen. Was können wir also erwarten von dieser 26. Klimakonferenz in der Geschichte der Menschheit zum Zeitpunkt, an dem tatsächliche Veränderungen wichtiger sind als je zu vor. Greta Thunberg macht ihre Erwartungen an die Entscheidungsträger:innen deutlich:
„Build back better. Blah, blah, blah. Green economy. Blah blah blah. Net zero by 2050. Blah, blah, blah! This is all we hear from our so-called leaders. Words that sound great but so far have not led to action. Our hopes and ambitions drown in their empty promises!”³

Deutlich wird, dass uns das Gerede der Verantwortlichen nicht genug ist. Es müssen endlich Taten folgen.
Wir werden weiter auf die Straßen gehen, bis Klimagerechtigkeit über die Grenzen von Europa reicht. Auch wenn wir in Deutschland noch nicht viel von den Klimaveränderungen unserer Zeit mitbekommen, sieht es in anderen Ländern anders aus. Viele Menschen sind täglich mit den Hausausforderungen des Klimawandels konfrontiert. So verwüsten immer mehr Stürme Haiti, Dürren suchen Vietman heim und im Pazifik müssen ganze Inseln evakuiert werden. Und verantwortlich ist keine launische unberechenbare Umwelt, sondern die Menschheit.
Und so werden wir demonstrieren, bis die Jugend mit ihren Forderungen endlich ernst genommen wird. Wusstest du das 2021 71,3% der Wähler:innen 40 Jahre und älter waren, während nur 28,7% zwischen 18 und 39 Jahre alt waren?
Wir werden laut sein, bis die Entscheidungen den Menschen zugutekommen und nicht den Konzernen. "This is no longer a climate Conference. This is now a global north green wash festival!"⁴, erklärte Greta Thunberg in ihrer Rede auf der Fridays for Future Demo an diesem Freitag. Greenwashing kommt einzig den konsumorientierten Unternehmen zu gute, die sich durch Werbung, Spenden und Presse besonders nachhaltig darstellen und so Konsumenten anwerben.
Wir werden aktiv sein, bis wir uns sicher sein können, dass wir eine Zukunft gestalten, in der wir alle überleben können. Wir sollten uns keine Gedanken darübermachen müssen, ob wir wirklich Kinder in diese Welt setzen sollten, sondern nur, ob wir es wollen und wir sollten uns definitiv nicht darüber sorgen, ob wir in unserer eigenen Zukunft überleben werden.

Da diese Forderungen bisher keinen Anklang in der Klimapolitik finden, geht es auch am folgenden Tag für uns auf die Klimademo, doch ist das Wetter diesmal nicht auf unserer Seite. Sturm, Regen und Kälte erwarten uns vor der Tür. Dem Wetter trotzend begeben wir uns zum Klimastreik und treffen diesmal den WWF auf der Demo. Zusammen setzen wir erneut ein Zeichen für eine ambitionierte Klimapolitik. An diesem Samstag läuft nicht alles rund. Nach circa der Hälfte unseres Weges wird ein Teil der Demonstration aufgehalten. Für uns geht es erst mal nicht weiter. Grund dafür: ein Polizeieinsatz, der aus für uns nicht ersichtlichen Grund eine Gruppe Jugendlicher einkesselt und aus der Demonstration abführt. Die Situation ist angespannt. Viele Menschen bleiben stehen und rufen: „Let them go!“⁵. Der Einsatz hält einen großen Teil der Demonstration auf und wir verlieren den Anschluss.

Etwas nass und frierend komme ich schließlich am Ende der Demonstration an. Ich entschließe mich dazu, für ein paar Stunden auf das Gelände der COP zu gehen, um mich aufzuwärmen und noch ein paar Informationen zu ergattern. Angekommen wird mir allerdings bewusst, wie müde mich der Tag auf der Demo gemacht hat. Nach schon einer Stunde mache ich mich schließlich doch auf den Heimweg und falle sehr erschöpft mit einer Wärmflasche ins Bett.
Was mir die letzten Tage auf der COP sehr deutlich gezeigt haben, dass man nicht überall gleichzeitig sein kann. Jede Minute passiert etwas und alles scheint enorm wichtig zu sein. Ich habe in den letzten Tagen kaum geschlafen und oft vergessen Pausen zum Essen zu machen. Trotzdem scheint es, als würde ich nicht mal einen Bruchteil von dem mitbekommen, was auf den Demonstrationen und Konferenzen geschieht. Zu akzeptieren, dass ein Tag irgendwann zu Ende ist und es okay ist, das Handy und den Laptop auszumachen, ist eindeutig enorm wichtig, um die ganzen Informationen und die Inspiration zu verdauen, die hier auf einen nur so prasseln.

¹ Was wollen wir? Klimagerechtigkeit! Wann wollen wir es? Jetzt
² Wenn wir uns heute nicht ernsthaft mit dem Klimawandel auseinandersetzen, wird es für unsere Kinder morgen zu spät sein, dies zu tun!
³ Besser wiederaufbauen. Blah, blah, blah. Grüne Wirtschaft. Blah blah blah. Netto-Null bis 2050. Blah, blah, blah! Das ist alles, was wir von unseren so genannten Führern hören. Worte, die großartig klingen, aber bisher nicht zu Taten geführt haben. Unsere Hoffnungen und Ambitionen ertrinken in ihren leeren Versprechungen!
⁴ Dies ist nicht länger eine Klimakonferenz. Das ist jetzt ein Greenwashing Festival des globalen Nordens!
⁵ Lasst sie gehen!
Titelbild © picture Alexandra Reuter
Du willst mehr zu diesem Thema wissen?
Klimawandel - Tagesschau
Klimaproteste in Glasgow- BBC (Englisch)
Klimaproteste- Die Süddeutsche (Deutsch)
Video- Überblick über Proteste zur COP26
Rede Greta Thunberg (Englisch)
Greenwashing- Was ist das eigentlich?

Die Autorin Tara
Eine Story von Tara
Tara schreibt ehrenamtlich für die WWF Jugend Community. Sie ist im Redaktions- und Aktionsteam. Auch du kannst hier mitmachen - komm in unser Team.
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