
Youth Summit für nachhaltigere Lieferketten
“Was habt ihr heute zum Frühstück gegessen?” Anke Schulmeister-Oldenhove blickt in die Runde. Wir überlegen. Und gehen in Gedanken das Hostel-Buffet durch. “Waren da Produkte dabei, die Entwaldung und die Zerstörung von Ökosystemen verursachen?”
Mehrere Millionen Hektar Wald werden jedes Jahr gerodet, vor allem, um Platz für Landwirtschaft zu schaffen. Fleisch und Milchprodukte, Soja, Kaffee, Palmöl, Schokolade und Kautschuk zählen zu den Produkten, die die Zerstörung von Regenwald überall auf der Welt am stärksten vorantreiben. Und viel davon landet am Ende auf unseren Tellern: Die EU ist durch den internationalen Handel für etwa 16% der globalen Entwaldung verantwortlich und landet damit direkt hinter China auf dem zweiten Platz weltweit.
Die Zerstörung von Wäldern und anderen wichtigen Ökosystemen wie Savannen oder Mooren vernichtet den Lebensraum zahlreicher Arten und gefährdet damit die Biodiversität, sowie die Existenzgrundlage von Milliarden von Menschen. Intakte Ökosysteme speichern Unmengen an CO2; das Freisetzen dieser Gase ist für 12% aller Treibhausgasemissionen verantwortlich und treibt den Klimawandel massiv voran.
Wir müssen also so schnell wie möglich handeln, um unsere Wälder zu schützen und die importierte Zerstörung von Ökosystemen zu beenden! Im Rahmen der #Together4Forests-Kampagne haben 1,1 Millionen Menschen zusammen mit über 160 NGOs ein starkes neues EU-Gesetz gefordert, das sich dieses Ziel setzt. Und am 17.11. war es dann soweit: Die EU-Kommission hat einen Gesetzesentwurf für entwaldungsfreie Lieferketten vorgestellt. Und wir, 50 Jugendliche vom WWF aus ganz Europa, waren dabei.

Der #Eat4Change Youth Summit war wirklich eine spannende und einzigartige Erfahrung. Vom 16. bis zum 18. November haben wir uns in Brüssel getroffen und vernetzt, die Stadt und das Europaparlament besichtigt, inspirierende Gespräche mit WWF-Mitarbeitenden geführt, eine Street Action durchgeführt und mit Abgeordneten des Parlaments (MEPs) gesprochen. Diese Gespräche waren der Kern unseres Aufenthalts in Brüssel, denn das Europäische Parlament und der Rat der Europäischen Union müssen jetzt über besagten Gesetzesentwurf zu entwaldungsfreien Lieferketten verhandeln und ihm zustimmen, damit daraus ein Gesetz werden kann. Natürlich ist wichtig, dass es auch effektiv wird und nicht nur auf dem Papier gut aussieht. Der WWF hat Forderungen für ein wirksames Gesetz gestellt und wir haben zusätzlich Stimmen von jungen Menschen aus Europa und Lateinamerika gesammelt – unsere Erwartungen und Befürchtungen bezüglich des neuen Gesetzes haben wir mit MEPs aus unseren jeweiligen Ländern diskutiert. Wir aus der deutschen Delegation haben fünf Gespräche geführt, insgesamt konnten wir unsere Forderungen an ca. 10% des Europäischen Parlaments herantragen. Dabei haben wir mit Abgeordneten verschiedener politischer Ausrichtungen gesprochen, um einen möglichst breit aufgestellten Teil des Parlaments dazu zu bewegen, für den Entwurf zu stimmen und das Gesetz noch stärker zu machen.
Denn leider fehlen einige zentrale Punkte im Gesetzesentwurf noch: So ist beispielsweise die Liste der zu kontrollierenden Produkte ungenügend. Einige der schädlichsten Produkte, wie Kautschuk und Leder (u.a. verwendet in der Automobilindustrie), stehen nicht darauf. Außerdem bezieht sich der Entwurf nur auf Wälder, andere Ökosysteme werden nicht berücksichtigt, obwohl die oft eine genauso wichtige Rolle als Kohlenstoffsenken und für die Biodiversität spielen. Ein solches Gesetz würde das Problem nur verlagern. Eine weitere Forderung ist, dass die Strafen bei Verstößen in allen EU-Ländern ähnliche Ausmaße haben müssen, um zu verhindern, dass Unternehmen auf Länder mit geringen Strafen für nicht kontrollierte oder nicht nachhaltige Lieferketten ausweichen. Sehr wichtig ist aber vor allem, dass das Gesetz nicht weiter verwässert wird, damit es wirklich effektiv die Lieferketten verbessert.
Am Tag zwei des Summits, dem 17. November, sitzen wir zur Vorbereitung auf die Meetings in unserem Besprechungsraum und warten gespannt auf die Veröffentlichung des Gesetzesentwurfes. Immer wieder brechen Kleingruppen zum Parlament auf oder kommen von Gesprächen zurück. Ein “Good Luck!” von allen gibt es zum Abschied, bei der Rückkehr Applaus. Und sofort wollen alle wissen, wie es gelaufen ist. Auch zwei Tafeln für Tipps und Reflektion stehen bereit – was lief gut, was würden wir nächstes Mal anders machen? Fast alle erzählen dasselbe: Das Gespräch war gut und konstruktiv, wir konnten unsere Sichtweise vermitteln, MEPs sind wirklich auch nur Menschen, mit denen man einfach reden kann! Dadurch, dass der Gesetzesentwurf topaktuell ist, haben sich viele Abgeordnete noch nicht wirklich eingearbeitet und es ergibt sich für uns die Chance, ihnen das Thema aus unserer Sicht vorzustellen. Auch wenn wir konservative MEPs sicherlich nicht grundsätzlich umgestimmt haben, sie wissen, dass wir da sind. Was uns wichtig ist.
Der letzte Tag bricht an, und wir ziehen los zum “Place du Luxembourg”, wo die Street Action stattfinden soll. Wir haben uns als Bäume verkleidet und eine Choreographie eingeübt, die später Teil eines Aufklärungsvideos zu Entwaldung und dem neuen Gesetz werden soll. Wir stellen einen Wald dar, der immer weiter abgeholzt wird, bis am Ende nur noch vereinzelt traurige Bäume übrig sind. Als alle bereit sind, stellen wir uns in Position. Die Kameraleute auch. Möglichst viele verschiedene Einstellungen und Blickwinkel wollen die filmen, also ersteht der tote Wald am Ende des Liedes wieder auf, wächst fröhlich, tanzt. Wird von bösen Menschen in grauen Anzügen bedroht, die nur auf Geld aus sind und mit dramatischen Bewegungen einzelne Bäume auswählen und abtransportieren. Und stirbt wieder. Und wieder. Nach vier oder fünf Durchläufen, ungefähr bei Halbzeit, ruft uns das WWF-Team zusammen. Und liest eine Nachricht von Anke vor: “Grüße an alle tanzenden Bäume da draußen! Gerade wurde der neue Gesetzesentwurf im Parlament vorgestellt. Und ein MEP ist aufgestanden und hat gesagt, dass gestern junge Menschen mit ihm gesprochen haben. Und dass unbedingt alle wichtigen Ökosysteme in das Gesetz aufgenommen werden müssen! Ihr seid so super!” So ungefähr der Wortlaut, und Jubel bricht aus. Die Sonne durchbricht das Grau und macht den Moment perfekt. Rund 50 Bäume liegen sich in den Armen und können es nicht fassen: Wir haben tatsächlich etwas bewirkt mit unserer Botschaft.
Quellen
https://www.wwf.de/together4forests

Die Autorin Mia
Eine Story von Mia
Mia schreibt ehrenamtlich für die WWF Jugend Community. Sie ist im Redaktions- und Aktionsteam. Auch du kannst hier mitmachen - komm in unser Team.
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