"Plastic Fantastic" - eine Filmempfehlung

Published on January 31, 2025

    Erst ist alles dunkel, dann tauchen nach und nach kleine leuchtende Punkte auf und bewegen sich über den Bildschirm. Dazu eine ansteigende Geräuschkulisse, bei der man nicht sicher ist, ob es sich um Filmmusik oder einfach ein Hintergrundrauschen handelt. Die leuchtenden Punkte nehmen zu. Ein Schriftzug erscheint:

    „Es gibt 500-mal mehr Plastikpartikel in den Meeren als Sterne in unserer Galaxie.“

    So beginnt der Dokumentarfilm „Plastic Fantastic“ der Regisseurin Isa Willinger, der derzeit beispielsweise in der ZDF-Mediathek verfügbar ist und den ich euch in dieser Spezial-Ausgabe des Plastik-Updates gerne vorstellen möchte.

    Der Schriftzug verschwindet, wir sehen die Decke eines unterirdischen Lagers über uns hinweggleiten. Dann das Lager selbst, einen Bagger, der große Plastiksäcke in Reih und Glied aufschichtet. Anschließend wird alles mit Staub zugedeckt - Feinsalz eigentlich, aber das erfahren wir erst später. Die Musik – und jetzt ist es wirklich schrille Musik – schraubt sich nach oben. Szenenwechsel in eine Fabrik. Immer noch gibt es keinen Text zu den Bildern, keinen einführenden Sprecher, keine Erklärungen. Stattdessen schauen wir verschiedenen Maschinen bei der Arbeit zu. Erst dann, nach 3,5 Minuten kommt ein Interview, die ersten gesprochenen Worte.

    Am Strand steht ein großer Müllkorb in Form eines Fisches aus einem Drahtgestell, sein "Mageninhalt" sind Plastiktüten.
    Im Film erzählt die Ozeanographin Sarah Jeanne Royer, dass auch bereits von Tieren gefressenes Plastik nach deren Tod und Zersetzung zur Gefahr für weitere Tiere werden kann. Bild: eigene Aufnahme

     

    Dieser Anfang spiegelt seht gut den gesamten Erzählstil des Films wider. Anders als in anderen Dokumentarfilmen gibt es keinen Sprecher oder Moderator, keine Stimme aus dem Off, die die Dinge einordnet oder kommentiert und die Übergänge begleitet. Stattdessen sprechen die Bilder und die Menschen im Film für sich. Ab und zu wird Text eingeblendet, weitere Zitate oder ein Fakt. Dass nur 9 Prozent allen Plastiks recycelt werden. Oder dass Fahrradhelme nicht recycelt werden, weil in den gelben Sack nur Verpackungs-Plastik darf.
    Insgesamt entsteht ein sehr ruhiger, aber auch sehr eindrucksvoller Film, der den zuschauenden Menschen Zeit lässt, das Gesagte und Gesehene zu verarbeiten, sich eigene Gedanken zu machen und dabei verschiedene Gefühle auslöst. Interview-Ausschnitten werden immer wieder unterbrochen von Bildern, die keine weitere Erklärung brauchen: Ein LKW, voll beladen mit kunterbunten Müllsäcken, hält am Ufer eines Flusses. „Ihr wisst, was jetzt passiert.“, sagt jemand, der nicht im Bild ist. Dann hebt sich die Ladefläche und die Säcke beginnen in Richtung Fluss zu rutschen. „Wie oft am Tag?“, fragt jemand. „3-4 mal“, lautet die Antwort.

    Der Film lässt sowohl Menschen aus der Kunststoff-Industrie als auch Wissenschaftler:innen und Aktivist:innen zu Wort kommen und nimmt die Zuschauenden dabei mit um die Welt. Wir treffen in Hawaii auf die Ozeanographin Sarah Jeanne Royer, die zu Mikroplastik an den Stränden forscht. In Kenia wird der Fotojournalist James Wakibia begleitet, der mit seiner Kampagne wesentlich dazu beigetragen hat, dass Plastiktüten in Kenia verboten wurden. (Worüber wir nebenbei im Plastik-Update damals auch berichtet haben. ;) )
    In Lousiana kämpft Sharon Lavigne mit einer Bürgerinitiative dagegen, dass weitere Industrieanlagen der Plastik-Industrie in ihrer Stadt gebaut werden und die Luftverschmutzung und das Gesundheitsrisiko für die Einwohner weiter steigen. In der Stadt gibt es bereits eine überdurchschnittliche Krebsrate. "Ich glaube, sobald die Dinge als Gesundheitsthema geframed werden, und nicht nur als Umweltthema, dann schrillen die Alarmglocken immer viel lauter bei den Leuten.", sagt auch die Regisseurin in einem Beitrag des NDR.

    Das Bild zeigt eine Krabben-Skulptur, die aus vielen kleinen bunten Plastik Fundstücken zusammengebaut wurde.
    Bild: eigene Aufnahme

     

    Im Film wird auch eine Lehrerfortbildung gezeigt. Es geht um "Kunos coole Kunststoffkiste", ein Angebot von Plastics Europe. Auch Lobbyisten selbst kommen zu Wort: Aus Washington ein Lobbyist vom American Chemistry Council, ebenso Ingemar Bühler, ein Lobbyist von Plastics Europe in Frankfurt. Beide argumentieren für die Vorteile von Plastik und erzählen, dass die Industrie die Probleme erkannt habe und daran arbeite. Bei manchen Aussagen möchte man ihnen zustimmen, bei anderen nur den Kopf schütteln. Aber auch ihre Interviews werden nicht direkt kommentiert oder eingeordnet, sondern es wird den Bildern des Films, den anderen Interviewpartnern und somit letztendlich dem Publikum überlassen, was sie glauben möchten und was nicht.

    „All you come away with are impressions of earnest people speaking earnestly. “,

    sagt ein Mann aus Virgina zu den Versprechen und Ankündigungen der Industrie. Er kennt die Plastik-Branche, hat früher selbst als Lobbyist gearbeitet und setzt sich heute für Umweltschutz ein.

    „Plastics are pitched as this product that comes from nowhere and goes to nowhere. “,

    sagt Steven Feit, Anwalt für Umweltrecht. Im Film spricht er auch über das in der Plastikmüll-Debatte oft vernachlässigte Thema, dass für die Produktion Erdöl genutzt wird und die Erdöl-Industrie zunehmend auf Plastik als alternatives Geschäft nach der Energiewende setzt.

    „Wenn man sich die Elbe anschaut: die Hälfte von allem Mikroplastik, was in der Elbe zu finden ist, ist Reifenabrieb.“;

    sagt Chemiker und Verfahrenstechniker Michael Braungart von der Universität Lüneburg bei einer Müllsammelaktion der NAJU, die so ähnlich auch von der WWF Jugend hätte organisiert werden können. Den Chemiker sehen wir im Film noch oft. Etwa wenn er fordert, dass Verschleißgegenstände wie Schuhsohlen so gemacht werden müssten, dass sie in biologische Systeme zurückgehen können. Seine Interview-Ausschnitte fand ich besonders spannend, weil er Fachwissen einbringt und an vielen Stellen erklärt, was die Industrie schon bei der Herstellung anders machen müsste und könnte. Zum Beispiel CO2 aus der Atmosphäre für die Herstellung nutzen. Besonders ermutigend fand ich seinen Satz, dass niemand seiner Studierenden sich dafür interessieren würde die Plastikflasche 3 Prozent leichter zu machen, „wenn ich denen aber sage: wir machen jetzt Plastik aus dem Kohlendioxid der Erdatmosphäre, dann habe ich 150 Bewerbungen sofort“.

    Insgesamt vermittelt der Film eben nicht nur Frustration oder Wut darüber, dass die Plastikproduktion immer weiter wächst, sondern zeigt auch mögliche Lösungen und viele verschiedene Menschen auf der ganzen Welt, die sich dem Problem entgegen stellen. Dadurch fühlt man beim Zuschauen neben den negativen Gefühlen auch Hoffnung und Tatkraft. Auch die Regissuerin Isa Willinger sieht vor allem Politik und Industrie in der Verantwortung, Menschen und Umwelt zu schützen. Sie sagt aber auch "Unsere Aufgabe ist es tatsächlich, einfach Lärm zu machen. Man kann Petitionen unterschreiben, man kann Politiker:innen anschreiben und man kann vor allem Supermarktketten anschreiben, also gerne auch über Social Media, wo es dann viele andere Leute sehen und auf die Absurditäten hinweisen."  Und mit dieser Botschaft ist sie doch bei uns in der WWF Jugend genau richtig.

    Schaut also gerne den Film, gerne auch mit Verwandten und Freunden, kommt darüber ins Gespräch oder schreibt eure Gedanken dazu in die Kommentare. Vielleicht haben auch andere Menschen aus der Community den Film gesehen und ihr könnt euch darüber und über mögliche Aktionen austauschen. :)

    Quellen:

    https://www.zdf.de/filme/das-kleine-fernsehspiel/plastic-fantastic-100.html

    https://www.ndr.de/kultur/film/Dokumentarfilm-Plastic-Fantastic-Eine-Welt-voller-Plastik,plasticfantastic100.html

    https://www.kino-zeit.de/film-kritiken-trailer-streaming/plastic-fantastic-2023


     

    Was ist das Plastik-Update?

    Plastik ist ein Material, das nicht nur uns in der Community ständig beschäftigt. Mittlerweile haben viele die Probleme erkannt, die mit Kunststoffen zusammenhängen: Auf der ganzen Welt setzen sich Leute dafür ein, die Umweltverschmutzung durch Plastik zu verringern. Ständig gibt es neue Erkenntnisse und Möglichkeiten, die Welt ein kleines bisschen plastikfreier zu gestalten. 

    Im Plastik-Update informieren wir euch einmal im Monat über solche positiven Nachrichten rund um die Themen Plastik & Müll. Das Plastik-Update soll aber nicht nur informieren, sondern auch motivieren und vor allem soll es zeigen:
    Wir sind nicht alleine im Kampf gegen die Vermüllung der Welt!

    Hier findest du weitere Folgen. Du hast selbst positive Nachrichten zum Thema gefunden oder möchtest deine Gedanken teilen? Schreib gerne in die Kommentare. :)


    Die Autorin Johanna

    Eine Story von Johanna

    Johannna schreibt ehrenamtlich für die WWF Jugend Community. Sie ist im Redaktions- und Aktionsteam. Auch du kannst hier mitmachen - komm in unser Team.