Lebensraum Wattenmeer

Published on October 17, 2023

Das Wattenmeer ist ein faszinierender und vielschichtiger Lebensraum. Nicht ganz Land, aber auch nicht ganz Meer, sondern ein ganz eigenes Reich mit einer spezialisierten Tier- und Pflanzenwelt.  Ein Ort wie kein anderer auf der Welt. In dieser Story nehme ich euch mit auf eine Reise in diese wunderbare Welt.
 

Das Wattenmeer ist ein vielfältiger und lebendiger Lebensraum. / © Petra Boekhoff, pixabay.com

 

Geprägt vom Wechsel der Gezeiten

Der Wechsel zwischen Ebbe und Flut zeichnet diese Landschaft mit ihrer unglaublichen Vielfalt an kleinsten Lebewesen im Wattboden aus, viele davon sind noch wenig erforscht. Es ist ein vielschichtiges Ökosystem, in dem mit-, aber auch gegeneinander gelebt wird, ein Ort, der vor Leben strotzt. Wattenmeer ohne Gezeiten? Unmöglich (u.a. hier gibt es ein Erklärvideo, wie der Mond Ebbe und Flut beeinflusst).

Die eigentliche Wattfläche ist abwechselnd trocken und überflutet. Im Übergang zum Land gibt es oft Salzwiesen, die nur gelegentlich unter Wasser stehen. An anderen Stellen sind Dünen, Strände und Marschen zu finden. Den Übergang zum offenen Meer bilden die sogenannten Seegatts zwischen den Inseln, die ständig unter Wasser stehen.

Die markantesten Lebensräume des Watts liegen in der sogenannten Gezeitenzone mit Schlick- und Sandwatt, Rinnsalen, Prielen und Flachwasserbereichen, aber auch einzelne tiefere Fahrrinnen. Diese Zone ist vom Wechsel der Gezeiten geprägt und voller Leben.

Durch die Priele und ihre immer kleiner werdenden Verästelungen strömt das Wasser bei Flut hinein und bei Ebbe wieder aus dem Watt hinaus. Und durch Wind und Gezeitenströme  verändert sich das Watt also ständig.
 

Die Wasserläufe verändern das Watt ständig. / © Simon, pixabay.com


Der wissenschaftliche Begriff für eine solche Landschaft, die abwechselnd unter Wasser steht und trocken fällt, ist eulitorale Zone. Der Wattstreifen an der Nordsee ist meist 7 bis 10 km breit, vereinzelt bis zu 20 km.

Das Watt besteht aus Ablagerungen, die Flüsse und Meeresströmungen im Laufe der Jahrhunderte angespült haben. Über die Flüsse gelangen Sedimente aus dem Landesinneren ins Watt, über die Flut Sedimente aus tieferen Meeresschichten. Zu Sand, Schlick und Ton und dem Abrieb des Festlandsockels kommen dann noch tierische Sedimente wie Kalkschalen und abgestorbene Pflanzenteile.

 

Abwechslungsreich zu allen Jahreszeiten

Im Laufe des Jahres zeigt das Wattenmeer ganz unterschiedliche Farben und Gesichter. Zu Beginn des Frühlings findet man die großen Laichballen von Borstenwürmern, die überall verstreut auf der Wattfläche zu sehen sind. Die Laichballen schimmern rötlich-pink, bräunlich oder grün.

Im Sommer kann man sich von der faszinierenden Tierwelt beeindrucken lassen. Viele Tiere bringen nun ihren Nachwuchs zur Welt, junge Heuler rufen nach der Mutter, kleine Küken warten im Nest. Die Salzwiesen sind von leuchtenden Blumenteppichen bedeckt.

Wird es Herbst, verleiht insbesondere der Queller dem Watt ein neues Aussehen. Aus der vormals saftig grünen Pflanze ist nun eine rote geworden. Auch andere Pflanzen steuern ein sattes rotbraun bei. – Indian Summer im Wattenmeer.

Der Winter dagegen ist leise und still, die letzten Zugvögel haben die Region verlassen. Der Himmel leuchtet kristallklar, auf der Wattfläche bildet sich teilweise Eis.
 

Abwechslungsreich zu jeder Jahreszeit - das Wattenmeer. / © Kranich17, pixabay.com

 

Unterschiede im Boden

Watt ist nicht gleich Watt. Der Boden ist sehr unterschiedlich beschaffen. Da gibt es einerseits das Sandwatt, andererseits Schlickwatt – und mehrere Zwischenstufen und Mischformen. Auf eher sandigem Watt kann man bequem laufen, in schlickigerem Watt sinkt man stärker ein.

Das Sandwatt nimmt rund 76% des Watts der Nordseeküste ein. Es besteht aus eher grobkörnigem Sand und hat mit rund 25% einen vergleichsweise geringen Wassergehalt. Organische Substanz kommt nur zu ca. 1% vor. Typisch für das Sandwatt sind sogenannte Rippeln, die sich wie ein Wellenrelief über den Boden ziehen und von Wind und abfließendem Wasser geformt werden.

18% des Watts an der Nordsee besteht aus Mischwatt. Diese Form kommt besonders an der niedersächsischen Küste vor. Der Sand ist hier feiner, der Wassergehalt und die Biomasse sind deutlich höher als im Sandwatt. Im Mischwatt leben auch die meisten Wattwürmer.

Das Schlickwatt kommt mit etwa 6% im deutschen Wattenmeer eher selten vor. Es ist dunkel, kann fast schwarz sein und hat die geringste Größe der Sandkörner. Der Anteil an organischem Material und der Wassergehalt sind dagegen am höchsten. Schlick ist oft an den Einstiegsbereichen ins Watt zu finden. Im Schlickwatt sinkt man schnell ein.

Außerdem ist das Watt in verschiedene Bodenschichten gegliedert. Die Oberfläche des Watts ist meist bräunlich, etwas tiefer dann schwarz gefärbt. Das liegt am Eisensulfid, das dort vermehrt vorkommt. Schließlich folgt eine graue Unterschicht, die als Rückzugsraum für Bodentiere dient, ansonsten aber wenig Leben beheimatet.

An nahezu allen Stellen ist Wattboden sehr durchlöchert und von Gängen und Röhren durchzogen. Das liegt an den vielen Würmern, die im Watt leben, aber auch an den Muscheln, Krebsen usw. Ohne Watt- und andere Würmer wäre das Watt deutlich schlickiger und weniger sandig.

Der Boden im Watt ist so vielfältig und wichtig, dass das Watt 2020 zum „Boden des Jahres“ gewählt wurde.

Und woher kommt eigentlich der Name? Der Begriff „Watt“ leitet sich vom altfriesischen Wort „wad“ ab, was „seicht“ oder „untief“ bedeutet.
 

Watt ist nicht gleich Watt: Es gibt sandiges und schlickiges Watt. / © Hans, pixabay.com

 

Reiche Tier- und Pflanzenwelt

Im Wattenmeer lebt eine unglaubliche Vielfalt von über 10.000 Tier- und Pflanzenarten. 10 bis 12 Millionen Zugvögel kommen Jahr für Jahr im Wattenmeer vorbei, um dort zu brüten oder Rast einzulegen. Das Wattenmeer zählt damit zu den vogelreichsten Gebieten der Erde. Auch rund 70 Fischarten leben dort, in den sehr flachen Teilen kommen noch rund 10 Arten vor. Besonders Plattfische fühlen sich im Wattenmeer wohl. Am häufigsten sind die Grundeln, die bei Ebbe in den Prielen und Pfützen ausharren. In den tieferen Bereichen des Wattenmeers leben Schweinswale, Kegelrobben oder Seehunde. Diese lassen sich auch auf den Sandbänken beobachten. Weitere bekannte Tierarten sind Strandkrabbe, Miesmuscheln, Seesterne oder Seeigel. Und auch das Seepferdchen kehrt allmählich ins Wattenmeer zurück. Bekannte Pflanzen im Watt sind Seegras, Tang  oder verschiedene Algen. 80% der pflanzlichen Nährstoffe im Watt stammt von einzelligen Algen. Das auf- und ablaufende Wasser sorgt für einen perfekten Austausch an Nährstoffen.

Die Pflanzen brauchen nur wenig Wasser. Nur so können sie es in den salzigen Fluten aushalten. Eine der bekanntesten Salzpflanzen der Nordsee ist der Queller. Er wächst ganz vorne in der Übergangszone zwischen Watt und Land und wird zweimal am Tag von Salzwasser überschwemmt.
 

Muscheln findet man im Watt fast überall. / © neelam279, pixabay.com

 

Alle Mies- und Herzmuscheln zusammen filtern im Sommer das Wattenmeer innerhalb einer Woche komplett durch. Und die allgegenwärtigen Wattwürmer (es gibt über eine Milliarde davon) graben das Wattenmeer regelmäßig um: 10 bis 20 mal im Jahr wird die oberste Sedimentschicht von ihnen durchgepflügt, einmal pro Jahr geht das Watt bis in rund 20 Zentimetern Tiefe durch ihre Verdauungsorgane. Dabei reichern sie das Watt mit Sauerstoff an und sorgen für gute Durchlüftung – denn während Sauerstoff von oben nach unten abnimmt, nimmt Schwefelwasserstoff von oben nach unten hin zu.

Im Watt überwiegen Meereslebewesen. Fehlt ihnen bei Ebbe das Wasser, graben sie sich tief in den Wattboden ein, besonders bei Hitze und Frost. Andere pendeln mit den Gezeiten und ziehen bei Ebbe in Richtung offene See.

Das Wattenmeer ist unverzichtbar für den Fortbestand vieler Arten. Gerade für Zugvögel ist es international eines der wichtigsten Gebiete. Und durch Schutzmaßnahmen gibt es u.a. ein kontinuierliches Wachstum in der Anzahl der Kegelrobben auf aktuell rund 10.55 erwachsene Kegelrobben und über 2.500 Jungtiere, und auch die Seehundpopulation konnte auf über 40.000 Tiere anwachsen. Das ist ein Anstieg um etwa das 10-fache seit den 1970er Jahren und Jagdverboten und anderen Schutzbemühungen zu verdanken.
 

Die Schutzbemühungen zeigen Erfolg: Meeressäugetiere nehmen allmählich zu. / © 0-0-0-0, pixabay.com

 

Durch den Klimawandel und den weltweiten Handel gelangen auch immer wieder fremde Arten ins Wattenmeer. Ein bekanntes Beispiel ist z.B. die Pazifische Auster, japanischer Blasentang, aber auch die Pantoffelschnecke. Sie profitieren von den wärmeren Temperaturen im Watt. Die Artenvielfalt im Wattenmeer nimmt durch die neu eingewanderten Arten zu. Die einheimischen Arten sind bis jetzt geblieben und leben in Wechselbeziehungen mit den neuen Arten.

Für die Vogelwelt des Watt steht allerdings ein Umbruch bevor. Für viele bodenbrütende Küstenvögel ist es nicht mehr sicher genug und Langstreckenfliegern zwischen Afrika und Sibirien fällt das richtige Timing immer schwerer.

Wir Menschen sind allenfalls „Gäste auf Zeit“ im Wattenmeer, nämlich dann, wenn zwischen zwei Fluten der Meeresboden auftaucht und begehbar wird. Und dann können wir es tatsächlich: Auf dem Grund des Meeresbodens spazieren gehen. Das ist nur im Wattenmeer möglich, wo das Wasser zweimal am Tag verschwindet und nach einigen Stunden wieder kommt.
 

Im Wattenmeer kann man auf dem Meeresboden spazieren gehen. / © Moritz320, pixabay.com

 

Ausblick

Dir hat die Story gefallen und du möchtest noch mehr über das Watt und seine Bewohner erfahren? In Kürze wird es eine Fortsetzung über das Wattenmeer als UNESCO-Weltnaturerbe, Gefahren im Watt, den Klimawandel und wie du das Watt selbst erleben kannst geben. Außerdem findest du im Team „Arten schützen“ eine Story über fantastische Fakten einiger Vögel im Watt. Schau einmal rein, welche Rekorde sie halten! Über die Rekorde weiterer Tiere und Watt wirst du demnächst mehr erfahren. Sei gespannt!
 

Das Wattenmeer ist ein interessanter und vielfältiger Lebensraum! © Nesslinger-IT, pixabay.com


 


Quellen:


 

Die Autorin Stephanie


Eine Story von: Stephanie

Stephanie schreibt ehrenamtlich für die WWF Jugend Community. Sie ist im Redaktions- und Aktionsteam. Auch du kannst hier mitmachen - melde dich gerne bei uns.