Klimaziele – neue Entwicklungen nach der Koalitionsverhandlung

Published on April 3, 2023

Erst vor einigen Tagen haben wir uns in der WWF Jugend angeschaut, wo Deutschland bei den Klimazielen steht und wie die einzelnen Sektoren abschneiden. Wenige Tage später hat der Koalitionsausschuss der Ampel-Regierung getagt. Dabei wurden wichtige Entscheidungen zu den Klimazielen und zum Klimaschutz allgemein getroffen. Doch worum ging es genau? Was wurde beschlossen – und wie haben die Umweltverbände reagiert? Darum geht es in dieser Story.
 

Im Koalitionsausschuss der Ampel-Regierung ging es um Klima-Themen. / © Christian Lue, unplash.com

 

Der Hintergrund: Koalitionsausschuss

Eigentlich sollte der Koalitionsausschuss nur wenige Stunden dauern. Am Ende wurden daraus 37 Stunden. Getroffen hatten sich die Regierungsparteien Bündnis90/Die Grünen, SPD und FDP, um Kompromisse für verschiedene Streitfragen zu finden. In mehreren Punkten ging es dabei um klimarelevante Themen.

Zu den größten Streitpunkten der Koalition gehörten:

  • Ausstieg aus Öl und Gasheizungen: Eigentlich wurde bereits im letzten Jahr beschlossen, dass der Neueinbau von Öl- und Gasheizungen ab 2024 verboten ist und bis 2045 auch der Altbestand an Öl- und Gasheizungen ersetzt werden muss. Doch die FDP möchte diesem „Verbot“ nun nicht mehr zustimmen.
  • Autobahnausbau: Das Genehmigungsverfahren für bestimmte Projekte der Infrastruktur soll beschleunigt werden. Teilweise sollen Genehmigungsverfahren auch ausgelassen werden. Beides soll dazu dienen, dass Projekte schneller gebaut werden können. Bündnis 90/Die Grünen möchte nur Bahnstrecken und Brücken beschleunigt ausbauen – die FDP dagegen auch Autobahnen. Und die SPD möchte das beschleunigte Verfahren nur für Projekte anwenden, die wirtschaftlich besonders wichtig sind.
  • Klimaschutz im Verkehr: Im letzten Jahr hat Verkehrsminister keine Sofortziele vorgelegt. Auch für 2022 hat der Verkehrssektor seine Klimaziele deutlich verfehlt. Nun wird über effektive Maßnahmen zur Emissionsreduktion im Verkehr gestritten. Die SPD hält sich raus, die Verantwortung wird auf die Grünen abgeschoben. Die FDP möchte „Technologieoffenheit“.
     
Einer der Streitpunkte: Unser Verkehr / © Nabeel Syed, unplash.com

 

Die Ergebnisse

Was aber kam nach der langen Verhandlung raus?

In der letzten Story haben wir gesehen, dass nach dem Klimaschutzgesetz jeder Sektor ein verbindliches Klimaziel hat, das im jeweiligen Jahr erreicht werden soll. Diese Sektorenziele wurden nun gestrichen. Beibehalten wurde lediglich ein Klimaziel im gesamten, also für alle Sektoren. In Zukunft ist es dadurch möglich, dass einzelne Sektoren (z.B. der Verkehrs- oder Gebäudesektor, die ihre Klimaziele in den letzten Jahren nicht erreicht haben) ihre hohen Emissionen durch Einsparungen aus anderen Sektoren ausgleichen können. Die Bundesregierung soll zukünftig nur noch eingreifen, wenn die Ziele zweimal in Folge in allen Sektoren überschritten werden. Überschreitungen einzelner Sektoren spielen keine Rolle mehr.

Gleichzeitig wird das Klimaschutzgesetz „überarbeitet“. Konkret bedeutet das, dass es abgeschwächt wird. So fällt z.B. die jährliche Überprüfung weg, ob die Klimaziele eingehalten wurden. Auch wird es keine Sanktionen mehr geben, wenn Sektoren die Klimaschutzvorgaben nicht einhalten. – Es gibt ja keine sektorspezifischen Ziele mehr.

Bisher sollten die nicht erreichten Sektorenziele durch ein effektives Klimaschutz-Sofortprogramm ausgeglichen werden. Mit den neuen Beschlüssen wird das bereits im Koalitionsvertrag versprochene Sofortprogramm aber nun nicht umgesetzt.

Der Koalitionsausschuss bekräftigt allerdings, dass Deutschland bis 2045 klimaneutral sein soll.

Im Verkehrsbereich wurde beschlossen, dass Projekte zum Ausbau von Autobahnen beschleunigt werden sollen. Ganze 144 Projekte sollen davon erfasst sein. Das bedeutet: Anstatt die Weichen für effektiven Klimaschutz zu stellen und die Verkehrswende zu beschleunigen, wird der Ausbau von Autobahnen beschleunigt. Also mehr CO2-Emissionen, mehr versiegelte Flächen, mehr zerstörte Lebensräume wie Moore und Wälder.
Die Regierung sieht in den schnelleren Planungs- und Genehmigungsverfahren einen wichtigen Beitrag zur Modernisierung von Deutschland.

Der zentrale Streitpunkt der Verhandlungen war, wie Emissionen im Verkehr reduziert werden können. Der minimale Konsens: Kleinstmaßnahmen, die bereits im Koalitionsvertrag beschlossen wurden, wie z.B. ein Aufschlag auf die LKW-Maut oder Anreize für mehr E-Mobilität.
Eine Verkehrswende wird das alleine nicht mit sich bringen. Die Mehreinnahmen aus der LKW-Maut sollen immerhin in Bahn-Investitionen fließen.

Im Bereich der Gebäudeenergie wurde beschlossen, dass ab 2024 jede neu eingebaute Heizung zu 65% mit erneuerbaren Energien betrieben werden soll. Dieser Vorschlag ist ein Fortschritt für den Klimaschutz und wird im April im Kabinett verhandelt. Allerdings möchte die FDP auch grünen und blauen Wasserstoff sowie Biomasse als Optionen zur Erfüllung zulassen.

Bei der Koalitionsverhandlung wurde auch über Erneuerbare Energien verhandelt: Länder, Kommunen und Unternehmen sollen beim Ausbau der Windenergie zukünftig mehr Spielraum haben. Kommunen sollen zukünftig eigenständiger Flächen für Windenergieanlagen ausweisen können. Ein Ausbau von Windenergie ist zu begrüßen, allerdings wird durch die neue Regelung die Steuerungswirkung der Flächenplanung auf Länderebene deutlich erschwert.

Auch Bundesstraßen, Autobahnen und Schienen sollen zukünftig stärker von Erneuerbaren Energien gesäumt werden. Damit sind Solarparks an Autobahnen und Bahnstrecken oder Windparks an Bundesstraßen gemeint. Diese Fokussierung ist sinnvoll, da bereits vorbelastete Standorte genutzt werden.

Für den Umweltschutz gibt es einige vage Ergebnisse aus der Koalitionsverhandlung: So soll es z.B. ein Flächenbedarfsgesetz und einen Aufbau eines deutschlandweiten Biotopverbunds geben. Das geschieht auf dem Hintergrund des internationalen Zieles, zukünftig 30% der Landes- und Meeresflächen unter Schutz zu stellen. Inwiefern sich daraus ein tatsächlicher Fortschritt für den Umweltschutz ergibt, wird die Umsetzung in den nächsten Monaten zeigen.

Der Klimaschutz wird in Zukunft also unverbindlicher, bereits erreichte Erfolge werden gekürzt oder abgeschafft. Neben einigen wenigen guten Vorhaben überwiegen definitiv Verschlechterungen für den Umwelt- und Klimaschutz.
 

Möglicherweise wird ein deutschlandweiter Biotop-Verbund aufgebaut. / © Markus Spiske, unplash.com

 

Das sagen die Umweltverbände

Die großen deutschen Umweltverbände WWF, Greenpeace, NABU und BUND haben umgehend auf die Ergebnisse des Koalitionsausschusses reagiert und Position bezogen.

So bezeichnet z.B. der WWF Deutschland die Ergebnisse in seinem Pressestatement vom 29.3.2023 als „Frontalangriff auf den Klimaschutz“.
Im Statement von Christoph Heinrich, Vorstand des WWF, heißt es:„ […] Die vorgesehene Schwächung der Sektorziele und -reduktionsverantwortung im Klimaschutzgesetz ist absolut inakzeptabel. Wenn die in der Verantwortung stehenden Ministerien ihre jeweiligen Klimaschutzziele nicht mehr einhalten müssen, steht der Bundeskanzler umso mehr in der Verantwortung. Auch die Beschlüsse im Verkehr gehen überwiegend zu Lasten von Umwelt und Klima und somit völlig vorbei an dem, was notwendig wäre, um Deutschland für die Zukunft zu positionieren. Mit den jetzt gefassten Beschlüssen fallen wir insbesondere beim Klimaschutzgesetz deutlich hinter die große Koalition zurück.

Martin Kaiser, Vorstand von Greenpeace Deutschland, sagt: „Ich bin fassungslos. Fassungslos, dass sich angesichts der allgegenwärtigen Klimakrise die Ampelkoalition einen Rückschritt beim Klimaschutz erlaubt. Das Klimagesetz - ein Erfolg der letzten Regierungskoalition - ist de facto entkernt, das Sorgenkind unter den Sektoren - der Verkehr - quasi aus der Verantwortung entlassen. Es ist unglaublich."

Auch der BUND Deutschland bewertet die Beschlüsse als verheerend: „Das aktuelle Klimaschutzgesetz wird weichgespült. Wir halten diese Entscheidung für falsch.“ – so der BUND-Vorsitzende Olaf Bandt.

Der NABU positioniert sich in die gleiche Richtung und sieht durch die Ergebnisse „deutliche Aufweichungen und Verschlechterungen im Klima- und Naturschutz“, deren Ambitionen noch hinter dem Niveau der Vorgängerregierung lägen.
 

Der Bundestag muss die Ergebnisse des Koalitionsausschusses annehmen. / © Maheshkumar Painam, unplash.com

 

Wie geht es nun weiter?

Die Ergebnisse haben in vielen Punkten für negative Rückmeldungen gesorgt. Neben den Pressestatements der Umweltverbände laufen die ersten Aktionen an. In Berlin gab es bereits eine Demo. Haltet Augen und Ohren offen, welche Aktionen es in eurer Stadt geben wird.

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Werdet aktiv! / © Mika Baumeister, unplash.com

 


 

Quellenangaben:


 

Die Autorin Stephanie

 

Eine Story von: Stephanie

Stephanie schreibt ehrenamtlich für die WWF Jugend Community. Sie ist im Redaktions- und Aktionsteam. Auch du kannst hier mitmachen - melde dich gerne bei uns.