
Türchen 16
Viele von uns sehen die Dringlichkeit und Ausweglosigkeit der Klimakrise und sind in verschiedenen Formen und Bereichen im Klima- und Umweltschutz aktiv. Das Wissen um die Klimakrise, um den Zustand unserer Umwelt und unserer Lebensgrundlagen, aber auch unser Aktivismus in diesem Bereich kann eine emotionale und physische Belastung sein. Wir spüren vielleicht Wut, Angst, Frust, Trauer, Hoffnungslosigkeit, Sorgen, Fassungslosigkeit, Beunruhigung, Resignation, aber auch Hoffnung, Mut und Zuversicht auf ein gutes Leben für alle. All diese Gefühle und Emotionen sind berechtigt und eine gesunde Reaktion. Sie können Antrieb für politisches, gesellschaftliches und aktivistisches Engagement sein und uns dazu bringen, die Welt und unser Handeln kritisch zu hinterfragen.
In diesem Türchen wollen wir uns genauer mit (Klima-)Aktivismus beschäftigen, welche Belastungen damit verbunden sein können und wie wir dabei gut für uns sorgen können.

Als Klimaaktivist:innen sind wir oft besonders von den psychischen Belastungen betroffen, die sich aus der Klimakrise ergeben – wir beschäftigen uns intensiver und tiefergehend mit den Ursachen und Folgen als andere Teile der Bevölkerung. Dadurch ergibt sich ein erhöhtes Risiko für psychische Belastungen. Gleichzeitig erfahren wir, meist im Zusammenhang mit unserem Engagement, auch verstärkt positive Emotionen.
Wichtig ist, dass wir uns von den negativen Emotionen nicht lähmen lassen, sondern dass wir aktiv werden. Engagement kann dazu beitragen, negative Gefühle zu regulieren und mehr im Einklang mit sich selbst und seinen Werten zu sein. Dadurch erleben wir Sinn und eine Bereicherung für unser Leben. Das Erleben von Gemeinschaft mit Gleichgesinnten, das aktive Eintreten für unsere Überzeugung, für ökologische und soziale Werte, die Freude am gemeinsamen Tun lässt uns Selbstwirksamkeit und Wertschätzung erfahren und an politischen und gesellschaftlichen Gestaltungsprozessen aktiv teilhaben. Gleichzeitig machen wir vielfältige Lernerfahrungen, entwickeln Selbstvertrauen und entwickeln unsere Persönlichkeit weiter.
Zu Belastungen kann es z.B. durch empfundene Zeitnot, Stress und Überforderung kommen. Auch geringe Erfolgserlebnisse trotz hohem Engagement, Handlungsdruck und eine große Verantwortung erhöhen die Belastung. Bei ungünstiger Dynamik kann das bis hin zum Burnout führen.
Wichtig ist, sich selbst gut zu beobachten und das Engagement entsprechend zu regulieren: Was und wie viel kann und möchte ich machen? Welche Formen des Engagements liegen mir, welche weniger? Welche Möglichkeiten des Ausgleichs habe ich und wie nutze ich diese?
Für einen vorsorgenden, präventiven Umgang mit unserem Aktivismus müssen wir diese Belastungen und Bewältigungsstrategien kennen, um ggf. Unterstützungsangebote aufbauen und nutzen zu können. In einigen Gruppierungen gibt es bereits Awareness-Ansätze oder andere Formen der Unterstützung. Z.B. bieten die Psychologists for Future in einigen Städten Unterstützung an.
Die Linderung der psychischen Belastung darf jedoch nicht nur auf individueller Ebene erfolgen – klima- und umweltbezogene Emotionen basieren auf real existierenden Konflikten und Bedrohungen. Die Belastungen können also nur dann umfassend beseitigt werden, wenn auch die tatsächlichen Ursachen angegangen werden, d.h. politische und gesellschaftliche Maßnahmen umgesetzt werden.

Copingstrategien
Um die Belastungen zu bewältigen, gibt es verschiedene Strategien. Konstruktive, sinnvolle Bewältigungsstrategien steigern die Resilienz (unsere seelische Widerstandsfähigkeit und Fähigkeit, mit Emotionen und Belastungen umzugehen). Schützende Faktoren sind insbesondere eine hoffnungsvolle Grundhaltung, Erholung, Humor und die Erfahrung kollektiven Engagements. Aktivismus kann belastend sein, aber auch positive Emotionen und Erfahrungen schaffen und verstärken, besonders wenn er in Gemeinschaft stattfindet. Auch das eigene Verhalten, bewusst herbeigeführte Veränderungen und sichtbare Erfolgserlebnisse, steigern die Motivation und können als Bewältigungsstrategien hilfreich sein.
Es gibt also verschiedene Herangehensweisen. Emotionsbasierte Copingstrategien (Coping = Bewältigung) können insbesondere kurzfristig das emotionale Wohlbefinden stärken. Z.B. kann bewusst Zeit in der Natur verbracht werden zur Selbstfürsorge oder anderweitig bewusst gestaltete Zeit (Hobby, Kunst, Bewegung, soziale Kontakte, Auszeiten usw). Wichtig hierbei ist, dass Umweltprobleme nicht verdrängt werden.
Problemorientiertes Coping lässt uns aktiv gegen das Problem vorgehen, also aktivistisch werden. Das Engagement hilft, sich gegenüber der Klimakrise nicht hilflos zu fühlen und fördert eine positive, hoffnungsvolle Haltung in Bezug auf die Zukunft. Das hat einen hohen gesellschaftlichen Wert, kann kurzfristig aber zu einer noch höheren Belastung führen.
Neben dem Handeln zählen auch Austausch und soziale Unterstützung zu den Copingstrategien.
Auch können Erfolge bewusst gefeiert werden – das erzeugt bewusst positive Gefühle.
Ebenso ist es wichtig, eigene Grenzen zu erkennen und ggf. das Engagement zu reduzieren.
Wichtig ist, verschiedene Bewältigungsstrategien zu kennen und zu mischen und sich bei Bedarf auch Unterstützung zu suchen.
Fazit
Wir haben erfahren, welchen Belastungen wir im Klimaaktivismus ausgesetzt sein können und wie wichtig es ist, Belastungen rechtzeitig zu erkennen und gegenzusteuern. Tun wir uns also zusammen, erzählen wir uns gegenseitig von einer neuen, schönen Welt, bleiben wir humorvoll. – Und in Kontakt mit anderen Aktivisti, Freunden und Familie.
Quellenangabe: Teilbericht „Junge Menschen in der Klimakrise - Eine Untersuchung zu emotionaler Belastung, Bewältigungsstrategien und Unterstützungsangeboten im Kontext von Klimawandel und Umweltproblemen in der Studie "Zukunft? Jugend fragen! 2021", Umweltbundesamt Texte 127/2022

Eine Story von: Stephanie
Stephanie schreibt ehrenamtlich für die WWF Jugend Community. Sie ist im Redaktions- und Aktionsteam. Auch du kannst hier mitmachen - melde dich gerne bei uns.