Hoffnung schreibt Geschichten - Yasmin

Published on June 19, 2025

    Während des WWF Jugend Schreibwettbewerbs zum Thema „Hoffnung“ haben wir viele Kurzgeschichten erhalten, die uns berühren, Mut machen und zum Nachdenken anregen. In der Interviewreihe "Hoffnung schreibt Geschichte" möchten wir euch die Autor:innen und ihre Geschichten vorstellen. Heute möchten wir euch Yasmin vorstellen und in ihrer Kurzgeschichte geht es um eine unerwartete Begegnung mit einem alten Mann und einem jungen Baum, die inmitten eines trüben Alltags neue Hoffnung und einen Perspektivwechsel schenkt.

     


     

    Die Autorin Yasmin

    Interview mit Yasmin

    Magst du dich zum Einstieg einmal kurz vorstellen? Wer bist du, was begeistert dich und hast du ein Lieblingsbuch?

    Mein Name ist Yasmin und mich begeistert der kreative oder generelle Umgang mit der deutschen Sprache, sei es das Lesen von tiefgründig philosophischen Texten aus dem Bereich der Anthropologie oder aber das eigenständige Verfassen von Lyrischen und Epischen Texten. Ein wirkliches Lieblingsbuch habe ich nicht, da ich deutlich mehr schreibe als lese, aber wirklich nur zu empfehlen ist der True-Crime-Thriller "Zersetzt" von Michael Tsokos und Andreas Größling - zumindest wenn man nicht allzu zart besaitet ist.

     

    Was bedeutet Hoffnung für dich ganz persönlich?
    Hoffnung ist für mich eine Art Brücke der Inneren Haltung zwischen dem Was gerade ist und dem was noch kommen könnte. Etwas was man anders als ein "bloßes Gefühl" in Teilen beeinflussen kann - also auch die Möglichkeit haben zu handeln, von sich selbst aus den Mut zu fassen, der gesellschaftlichen Resignation zum Trotz, etwas verändern zu wollen, auch wenn die Hoffnung eines Einzelnen nicht ausreichen wird die Zukunft zu verbessern. Hoffnung ist die Einstellung genau diesen Mut nicht zu verlieren, egal was passiert - denn Hoffnung ist das Fundament einer besseren Welt.

    Um das nochmal zu verdeutlichen und vielleicht auch den Bezug zu der Geschichte herzustellen:
    Hoffnung ist wie ein Samen, den man auch in trockene Erde legt – in der Ahnung, dass irgendwann Regen kommen wird. Und wenn er kommt, wächst mehr als nur eine Pflanze: Es wächst die Möglichkeit eines Gartens.

     

    Der alte Mann sagt: „Du kannst dir überlegen, was du wachsen lassen willst.“  Was würdest du selbst gerne wachsen lassen?
    Es kommt drauf an wie genau man diese Frage betrachtet, beziehungsweise die Formulierung "wachsen lassen". Nehme ich diese Worte wörtlich, dann würde ich vermutlich gerne selber Bäume pflanzen. Verstehe ich aber den Begriff "wachsen lassen" eher im metaphorischen Sinne, dann öffnet das ein viel breiteres Feld an Interpretationen und vor allem Möglichkeiten. Ich würde gerne Vertrauen und Zusammenhalt in den Herzen der Menschen wachsen lassen, immerhin sitzen wir alle im selben Boot -wenn die Zukunft der Erde ein reißerischer Fluss wäre.

     

    Gibt es eine Stelle im Text, die dir besonders wichtig ist oder auf die du stolz bist?
    Ob ich wirklich stolz bin kann ich nicht sagen, aber dafür habe ich eine deutliche lieblingsstelle in der Geschichte:
    "Es gibt so viele Dinge, die wir nicht kontrollieren können – den Regen, die Kriege, den Klimawandel, all das. Aber was du immer kontrollieren kannst, ist, was du pflanzt. Hier."
    Ich mag diese Zeile besonders gerne, da sie für mich ein Ausdruck einer gewissen inneren Freiheit ist - frei nach den Worten von Viktor Frankl "Du kannst nicht bestimmen, was dir geschieht – aber du kannst wählen, wie du antwortest." Also nur weil es Dinge gibt, die außerhalb deiner Kontrolle liegen, heißt das nicht, dass man sich in Passivität verschanzen muss.

     

    Gibt es Themen, über die du gerne noch mehr schreiben würdest?
    Worüber ich generell viel schreibe, was aber dennoch nicht genug angesprochen werden kann sind Themen wie: Toleranz, Identität oder Mobbing. Gerade letztes ist ein viel zu großes Problem. Auch generell das Thema mentale Gesundheit von Kindern und Jugendlichen spielt eine große Rolle in meinen Texten - Hass, Ausgrenzung, Depressionen bis hin zum Suizid. Immerhin sterben mehr Menschen durch Suizid als durch Verkehrsunfälle, Drogen und Aids zusammen.

     

    Was hoffst du, was Leser:innen aus deiner Geschichte mitnehmen?
    Gute Frage...Ich denke den Gedanken, dass selbst die noch so unbedeutend scheinendste Handlung, wie zum Beispiel einen Baum zu pflanzen, ein Anfang für eine schönere Zukunft ist. Hoffnung beginnt immer bei einem selbst.

     

     

     


     

    Yamins Kurzgeschichte: Der Baum am Ende der Straße

    Der Baum am Ende der Straße 
    An einem trüben Nachmittag, als der Regen die Straßen wie ein melancholisches Lied umspülte, saß ich in meinem Stammcafé, das aus mehr Gewohnheit als Geschmack mein Lieblingsort geworden war. Vor mir stand eine halbvolle Tasse Kaffee, die längst kalt geworden war.
    Ich starrte aus dem Fenster, wo die Tropfen wie kleine Wettläufer an der 
    Scheibe hinabliefen. 


    Ich war Ende dreißig und sah die Welt zunehmend durch eine graue Brille. Die Nachrichten 
    waren ein täglicher Albtraum, die Zukunft des Planeten wirkte wie eine tickende Zeitbombe, 
    und meine eigene Karriere – eine Mischung aus unendlichen Excel-Tabellen und Meetings, 
    die niemanden interessierten – fühlte sich leer an. 

     


    Es war an diesem Tag, als ich etwas Ungewöhnliches bemerkte: Ein alter Mann stand am 
    Ende der Straße, direkt neben einem jungen Baum, der in der Mitte des Gehwegs gepflanzt 
    worden war. Der Baum war noch klein, kaum mehr als ein dürrer Stängel mit ein paar 
    Blättern, die der Regen schwer nach unten zog. Der alte Mann schien mit ihm zu sprechen. 
    Ich runzelte die Stirn. Es war die Art von Szene, die ich normalerweise ignorierte – 
    wahrscheinlich jemand mit zu viel Zeit oder ein Stadtoriginal, das aus Langeweile mit 
    Bäumen plauderte. Doch irgendetwas an dem Mann hielt meine Aufmerksamkeit fest. 
    Vielleicht war es die Art, wie er die Rinde berührte, sanft und ehrfürchtig, als spräche er mit 
    einem Freund, der ihn verstehen konnte. 

     


    Getrieben von einer Mischung aus Neugier und einer vagen Sehnsucht, die ich nicht ganz 
    erklären konnte, zahlte ich meine Rechnung und trat hinaus in den Regen. 
    "Entschuldigen Sie", begann ich, während ich mich dem Mann näherte. "Sprechen Sie mit 
    diesem Baum?" 
    Der alte Mann drehte sich langsam um. Sein Gesicht war ein Labyrinth aus Falten, seine 
    Augen aber leuchteten wie kleine Funken. "Natürlich", antwortete er ruhig, als sei das die 
    selbstverständlichste Sache der Welt. 
    Ich wusste nicht, ob ich lachen oder mich entschuldigen sollte. "Warum?" 
    Der Alte klopfte leicht gegen den Stamm des Baumes. "Weil er lebt. Und weil er zuhört." 
    "Zuhören?" Ich zog meine Kapuze enger, der Regen wurde stärker. "Ich will ja nicht 
    unhöflich sein, aber das klingt ein bisschen... seltsam." 
    Der Mann lachte leise, ein warmer, rauer Klang, der durch den Regen schnitt. "Das denken 
    viele. Aber weißt du, dieser Baum hat mehr Hoffnung in sich, als die meisten Menschen 
    heutzutage. Er hat seine Wurzeln in der Erde, er streckt sich dem Himmel entgegen – egal, 
    was passiert. Stürme, Dürre, Kälte – er gibt nicht auf. Alles, was er will, ist wachsen." 
    Ich schnaubte leise. "Aber was, wenn jemand kommt und ihn einfach umsägt? Oder die 
    Stadt ihn ersetzt, weil er im Weg ist?" 
    Der Alte nickte bedächtig. "Das kann passieren. Aber bis dahin wird er alles tun, was er 
    kann, um zu wachsen. Er lebt im Moment, verstehst du? Er macht sich keine Sorgen um 
    Dinge, die vielleicht passieren könnten." 

     


    Ich fand mich plötzlich dabei, länger zuzuhören, als ich geplant hatte. Der Gedanke ließ 
    mich nicht los: Ein Baum, der einfach nur wächst, egal, wie die Umstände sind. 
    "Das ist schön und gut", sagte ich schließlich. "Aber ich bin kein Baum. Ich kann nicht 
    einfach ignorieren, was um mich herum passiert." 

     

    "Natürlich nicht", stimmte der Alte zu. "Aber du kannst dir überlegen, was du wachsen lassen 
    willst."
    Ich runzelte die Stirn. "Wie meinen Sie das?" 


    Der Alte schaute mich an, als sei die Antwort offensichtlich. "Schau dich um. Es gibt so viele 
    Dinge, die wir nicht kontrollieren können – den Regen, die Kriege, den Klimawandel, all das. 
    Aber was du immer kontrollieren kannst, ist, was du pflanzt. Hier." Er tippte mit einem 
    knochigen Finger gegen meine Brust. 
    Ich war mir nicht sicher, ob ich beeindruckt oder genervt sein sollte. "Das klingt... nett. Aber 
    es ist auch ziemlich naiv, oder? Ich meine, ein bisschen Optimismus wird die Welt nicht 
    retten." 


    Der Alte lächelte sanft. "Vielleicht nicht. Aber es wird dich retten." 
    In den Wochen danach konnte ich diesen Satz nicht vergessen. Ich sah den alten Mann 
    nicht wieder, doch die Begegnung nagte an mir, wie ein kleiner Stein im Schuh, den man 
    nicht einfach ignorieren kann. 

     

    Eines Abends saß ich in meiner Wohnung, die still und fast klinisch sauber war, und starrte 
    auf seinen Laptop. Eine E-Mail von der Arbeit blinkte auf – ein weiteres Projekt, das mir 
    nichts bedeutete. Ich schloss die Mail, lehnte mich zurück und dachte an den Baum. 
    Dann, fast ohne es zu merken, öffnete ich einen neuen Tab und suchte nach Möglichkeiten, 
    Bäume zu pflanzen. Es war ein spontaner Impuls, aber er ließ mich nicht los. Wenige Tage 
    später fand ich mich in einem Gemeinschaftsgartenprojekt wieder, wo Freiwillige kleine 
    Setzlinge in die Erde setzten. Es war nichts Großes, nichts Weltveränderndes, aber es fühlte 
    sich richtig an. 
    Die Erde unter meinen Fingern, der Geruch von feuchtem Boden, die einfache Handlung, 
    etwas wachsen zu lassen – es war, als würde ich selbst ein kleines Stück Hoffnung in die 
    Welt pflanzen. 

     


    Mit der Zeit begann Ich, die Dinge anders zu sehen. Ich hörte auf, die Nachrichten wie einen 
    Giftcocktail in mich aufzusaugen, und fing an, mich auf die kleinen Geschichten zu 
    konzentrieren: Menschen, die sich für ihre Nachbarschaft einsetzten. Junge Leute, die sich 
    für Nachhaltigkeit stark machten. Alte Freundschaften, die wieder auflebten. 
    Ich wurde nicht über Nacht ein optimistischer Mensch – das wäre gelogen. Aber ich lernte, 
    wie der Baum zu denken, den ich einst gesehen hatte: Ein kleines Stück Hoffnung zu 
    pflanzen, egal, wie die Umstände waren. 

     

    Eines Tages, Monate später, kehrte ich zu der Straße zurück, wo ich den alten Mann 
    getroffen hatte. Der Baum stand immer noch dort, etwas größer, etwas kräftiger. Ich lächelte, 
    steckte die Hände in die Taschen und dachte: Vielleicht reicht das ja. Vielleicht ist das 
    genug. 

     

    Denn manchmal ist Hoffnung nichts Großes, keine überwältigende Vision oder ein 
    revolutionärer Plan. Manchmal ist sie nur ein kleiner Baum, der wächst, egal, was passiert.